Es ist die wohl größte Zäsur in der Bandgeschichte von Slipknot: Im Jahr 2010 stirbt Gründungsmitglied und Bassist Paul Gray mit nur 38 Jahren an einer Medikamentenüberdosis. Die Band widmet ihm ihr fünftes Album .5: The Gray Chapter — und versucht damit, Hinterbliebenen ein wenig Hoffnung zu geben.
2010 haben Slipknot so ziemlich alles erreicht, was man als Metalband erreichen kann. Schon mit ihren ersten Demos hatten die neun Musiker aus Des Moines (Iowa) zahlreiche Plattenfirmen begeistert und anschließend eine steile Karriere hingelegt. Ganze vier Alben haben die Maskierten nun auf dem Buckel, darunter ihr furioses Debüt Slipknot (1999) sowie die beiden Mainstream-Türöffner Iowa (2001) und Vol. 3: (The Subliminal Verses) (2004). Mit ihrer vierten Platte All Hope Is Gone (2008) hatte die Gruppe an ihre Erfolge angeknüpft. Doch im Mai 2010 erschüttert ein Todesfall die Grundfesten der Band: Bassist Paul Gray stirbt mit nur 38 Jahren an einer Medikamentenüberdosis in Kombination mit einer Herzerkrankung. Slipknot widmen ihm ein ganzes Album: .5: The Gray Chapter.
Ein langwieriger Neuanfang: Das fünfte Slipknot-Album .5: The Gray Chapter
Grays Tod hinterlässt tiefe Wunden im Bandgefüge, denn Slipknot sind nicht nur Kollegen, sondern auch Freunde. „Das war einer der härtesten Tage meines Lebens, wenn nicht der härteste Tag“, erzählt Slipknot-Sänger Corey Taylor 2019 in einem Interview mit dem britischen Musikmagazin Revolver. „Damals hat sich für uns eine Menge geändert.“ Das verwundert nicht, schließlich war Gray eines der Gründungsmitglieder von Slipknot. Die Band möchte den Verlust erstmal verdauen und beschließt, sich mit dem nächsten Album Zeit zu lassen. Wie viel Zeit, definieren die Musiker unterschiedlich. Während sich Corey Taylor seiner zweiten Band Stone Sour widmet, möchte Gitarrist Jim Root loslegen. 2013 ist es soweit — allerdings erst nach einer weiteren großen Veränderung.
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Es handelt sich bei .5: The Gray Chapter nicht nur um das erste Slipknot-Album ohne Bassist Paul Gray, sonder auch um die erste Platte ohne Trommler Joey Jordison. Der widmet sich während der jahrelangen Bandpause nämlich seinem Nebenprojekt Scar The Martyr und hat, als es mit Slipknot wieder losgeht, kein großes Interesse daran, mit seinen alten Kollegen an einem neuen Album zu arbeiten. Wie genau es dazu kommt, dass Jordison die Band 2013 verlässt oder verlassen muss, ist bis heute nicht final geklärt. Er selbst behauptet in Interviews mehrfach, rausgeworfen worden zu sein. Slipknot behaupten, er habe die Band verlassen. 2016 macht Jordison seine Transverse-Myelitis-Erkrankung publik, eine Rückenmarkserkrankung. 2021 stirbt er mit 46 Jahren im Schlaf.
.5: The Gray Chapter: Slipknot ehren ihren verstorbenen Bassisten
Das neue Slipknot-Album nehmen 2013 vor allem Gitarrist Jim Root und Percussionist Shawn Crahan in Angriff. „Es ist seltsam“, berichtet Root im Magazin Revolver. „Ich bin kein sehr spiritueller Mensch.“ Er habe immer gedacht, es sei Quatsch, wenn jemand Verstorbenes angeblich „immer noch da“ sei. Aber im Verlauf der Arbeit an .5: The Gray Chapter habe er gemerkt, dass er einige Songs plötzlich instinktiv so geschrieben habe, wie auch Gray es getan hätte. „Ich dachte: Er ist hier! Er hilft mir!“ Aus Slipknots neuer kreativer Phase entstehen großartige Stücke wie The Devil In I, Killpop und Custer. „Das Album enthält eine Menge Schmerz, Ehrlichkeit und Einsicht in das, was wir durchgemacht haben“, erklärt Sänger Taylor. „Und es gibt auch etwas Wut.“
Im Oktober 2014 erscheint .5: The Gray Chapter. Es ist das erste Album der Gruppe in sechs Jahren. „Ich hoffe, dass unsere Fans erkennen“, erklärt Corey Taylor kurz danach in einem Interview mit Blabbermouth, „dass nicht nur die Texte, sondern auch die Musik und die allgemeine Botschaft sehr ehrlich sind. Dies ist das Tagebuch einer Band im Trauerprozess.“ Das Album markiert eine neue Slipknot-Ära, ohne Paul Gray und ohne Joey Jordison. Die Wunden mögen heute vernarbt sein, doch .5: The Gray Chapter bleibt das große Denkmal für einen viel zu früh verstorbenen Ausnahmemusiker. Es gebe so viele Emotionen, wenn jemand sterbe, erklärt Taylor. „Und ich hoffe, dass sich Menschen dieses Album anhören und verstehen, dass es okay ist, diese Gefühle zu empfinden.“