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Foto: Domino Records

Angst vor Veränderung? Franz Ferdinand haben „The Human Fear“

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Das sechste Album von Franz Ferdinand, The Human Fear, setzt sich mit menschlichen Ängsten auseinander. Angst vor dem Ausprobieren neuer Spielereien hat die Band dabei nicht, und doch klingt The Human Fear wie eine Fusion aller Zeitalter von Franz Ferdinand.

Viele Acts, die im 2000er-Indie-Rock explodierten, verfolgt seither ein gewisser Fluch: Bands wie Bloc Party oder Interpol legten so starke Debütalben vor, dass – egal,  wie erfolgreich sie weiterhin waren und wie sehr sie versuchten, aus ihrem Signature-Sound auszubrechen – ihre künftigen Werke doch von vielen immer mit dem Erstling verglichen werden. Auch Franz Ferdinand könnte man dazuzählen, war ihr selbstbetiteltes Debüt doch eine lupenreine Mischung aus Post-Punk, Ohrwürmern, unwiderstehlich tanzbaren Rhythmen und exzentrischer Lyrik. Jedoch kann man weder behaupten, dass die Band je ein komplett gescheitertes Experiment hatte, noch versuchten sie verzweifelt, immer wieder den gleichen Trick zu wiederholen.

Von damals bis jetzt

Das letzte Studioalbum Always Ascending ist nun sieben Jahre her. Dieses zeigte die Inklusion von mehr Synthesizern durch das damals neue Mitglied Julian Corrie, was aber nicht zwingend zu poppigeren Songs führte. Kann man auf dem neuen, nun sechsten Album The Human Fear von einem neuen Sound sprechen? Nicht so ganz, eher ist es eine Mischung von alldem, was wir bisher von Franz Ferdinand gehört haben. Auf Songs wie Cats oder The Doctor dominieren erst die zackigen Post-Punk-Gitarrenriffs der früheren Alben, werden dann aber in der nächsten Sekunde mit extravaganten Pathos-Pop-Hooks konterkariert, mit denen sich Franz Ferdinand später anfreundeten.

Dass The Human Fear wie eine gemischte Tüte aller Franz-Ferdinand-Alben wirkt, bestätigte Frontmann Alex Kapranos in einem Interview vorab: Auslöser dafür sei der Release der Best-of-Compilation Hits To The Head vor zwei Jahren gewesen: „Wenn man so eine Compilation erstellt, wird man sich gewiss, was die Band auszeichnet und was man persönlich an der Band mag. […] Daher war das wie der Anfang einer neuen Ära, aber auch ein Fokuspunkt; dadurch wurde [The Human Fear] zu einem intensiv Franz-Ferdinand-esken Album. Ich denke, weil es in der Chronologie der Alben an dieser Stelle steht, hat es ein paar Dinge, die man noch nicht von uns gehört hat, und ist gleichzeitig ein Album, das direkt nach Franz Ferdinand klingt.“

Was ist neu?

Die paar überraschenden Neuerungen treffen jedoch nur auf einzelne Songs zu. So clubbig und elektronisch wie auf Hooked klang die Band noch nie; Tell Me I Should Stay ist eine glamouröse Ballade mit viel Orchester-Schnickschnack. Und auf Black Eyelashes begrüßt Alex Kapranos vollends seine griechischen Wurzeln; er singt auf Griechisch und das Instrumental weist Elemente traditioneller griechischer Volksmusik auf.

Diese musikalischen Ausflüge sind recht spaßig, die besten Momente auf The Human Fear sind jedoch die, in denen die Band sich auf ihre Stärken verlässt. Everydaydreamer wird von einer smoothen Bassline getragen und kommt im Refrain mit einer Orgel um die Ecke, die an alte Schätze wie Come On Home vom ersten Album erinnert. Build It Up, Night Or Day und Cats zählen zu den tanzbarsten Momenten. Und The Doctor erzählt eine unterhaltsame, für Kapranos typisch verquere Metapher: Wenn man im Krankenhaus liegt, wird man von allen Seiten umsorgt. Warum also sollte man diesen Komfort hinter sich lassen? Das Verlassen dieser Institution nutzt Kapranos, um über Angst vor Veränderung und den großen Entscheidungen im Leben zu sprechen.

Die Angst kickt

Wo wir beim Thema Angst sind: Das Album heißt nicht ohne Grund The Human Fear. Denn jeder Song behandelt Ängste, die wir Menschen haben. Sei es die Angst vorm Auffallen in Audacious und The Birds oder die gefürchteten Abschiede in Tell Me I Should Stay und Bar Lonely. Dieses Konzept vereint alle musikalisch durchmischten Songs ganz gut. Es war nicht als Konzeptalbum geplant, aber als alle Texte geschrieben waren, merkte Kapranos, dass sich dieser rote Faden durchzog. „Angst erinnert dich daran, dass du am Leben bist“, erklärte er Domino Records. „Ich glaube, wir sind alle irgendwie süchtig nach dem Kick, den uns das geben kann. Wie wir darauf reagieren, zeigt, dass wir menschlich sind. Hier sind also ein paar Songs, die durch Angst nach dem Nervenkitzel des Menschseins suchen – nicht, dass man das zwingend beim ersten Hören merken würde.“

Beim ersten Hören wird The Human Fear auch sicherlich nicht alle überzeugen. Dass Franz Ferdinand ihren Sound nicht groß neu erfinden, ist nicht schlimm. Und wie anfangs erwähnt, sollte man auch nicht immer erwarten, dass Bands immer noch Songs schreiben, die so rund und energetisch sind wie zu Anfang ihrer Karriere. Aber selbst auf den letzten Alben gab es Songs wie Evil Eye oder Feel The Love Go, die ihre Catchiness und ihren Swagger direkt präsentierten. Bei The Human Fear ist das nicht der Fall, man braucht für einige Songs ein paar Anläufe, um sie zu schätzen. Und je öfter man es hört, desto mehr erkennt man das Album als gutes Resümee der eigenen Karriere.

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