Wir schreiben das Jahr 2002 in Deutschland, Gerhard Schröder wird erneut zum Bundeskanzler gewählt, der Euro löst die D-Mark ab und 9/11 ist gerade ein Jahr her. Die nationalen Pop-Charts sind seit einiger Zeit vermehrt geprägt von Songs, die sich der deutschen Sprache bedienen: Künstler wie Xavier Naidoo oder Ben legen mit ihren gefühlvollen Balladen die ersten Grundsteine für den enormen Erfolg deutschsprachiger Popmusik der kommenden Jahre.
Dazu mischt sich, still und leise, auch die neue Single eines Künstlers, um den es in den Jahren zuvor sehr ruhig geworden war: Der deutsche Liedermacher Herbert Grönemeyer veröffentlicht seinen Song „Mensch“, der den meisten von uns noch heute als Ohrwurm dieser Zeit im Gedächtnis sein dürfte (Und der Mensch heißt Mensch / Weil er vergisst / Weil er verdrängt). Die Musiksender zeigen dazu dieses melancholische Video eines umherlaufenden Eisbären. Nachdem bereits die Single an die Spitze der Charts katapultierte, erntet das gleichnamige Album noch vor Veröffentlichung nur aufgrund der Vorbestellungen Platin, hält sich sagenhafte 95 Wochen auf Platz eins der Album Charts und wird zum erfolgreichsten Album aller Zeiten in Deutschland.
Überraschend war dieses Comeback aber auch. 1998 erlebte Herbert Grönemeyer zwei schwere Verluste, die ihn lange vom Komponieren fernhielten: Innerhalb einer Woche starben seine Frau Anna und sein Bruder Wilhelm. Erst nach einem Jahr des Rückzugs in London widmete er sich allmählich wieder dem Songschreiben, vor allem aus der Befürchtung heraus diese Leidenschaft sonst ebenso zu verlieren. Daraus entwickelte sich schließlich die intensive Arbeit an „Mensch“, die entschieden zur Verarbeitung seiner traurigen Vergangenheit beitrug. Diese emotionale Eindringlichkeit liegt in seinen Liedern und ermöglichte erst ihre poetische Stärke und spürbar zuversichtliche Stimmung. Die Ballade „Der Weg“ etwa ist eine zutiefst traurige und gleichzeitig unmittelbar aufrichtige Liebeserklärung an seine Frau Anna, „Mensch“ beschreibt, dass gerade die existenziellen Grenzerfahrungen uns zu dem machen, was wir sind, und „Unbewohnt“ erforscht die Unausweichlichkeit der menschlichen Einsamkeit, die fest zu unserem Leben gehört.
Die Authentizität in seiner Arbeit hat Herbert Grönemeyer nie verloren. Wenn jemand weiß was es heißt, hart für den eigenen Erfolg zu arbeiten, dann er. Mit seiner Musik hatte er anfangs keinen großen Erfolg, sein erstes Solo-Album „Grönemeyer“ erhielt 1979 allenfalls eine Auszeichnung für das schlechteste Cover. Erst 1984 brachte ihm seine Platte „4630 Bochum“ den künstlerischen Durchbruch. Die Hinwendung zu mehr Innerlichkeit gepaart mit der lyrischen Qualität seiner Lieder stellen ihn zum einen in die Tradition von Liedermachern der 1960er Jahre wie Franz-Josef Degenhart oder Reinhard Mey, die ein besonderes Gewicht auf die Aussagekraft ihrer Texte legten. Grönemeyers Songs sind aber auch eingängige Popsongs der ersten Güte; massentauglich aber dabei immer geprägt von einer besonders persönlichen Echtheit. Er gibt seine Erfahrung aber auch an die deutschen Pop-Poeten der jüngeren Generation wie Philipp Poisel oder Niels Frevert weiter, die ihre lyrischen Werke auf seinem Label „Grönland“ herausbringen.
Vor einigen Tagen hat Grönemeyer die Veröffentlichung seines 14. Studioalbums bei Uni-versal Music bekannt gegeben, das am 21. November 2014 unter dem Titel „Dauernd jetzt“ erscheint. Eine daran anknüpfende Arena-Tournee ist für 2015 geplant.