
Tools erster Hidden Track befindet sich auch gleich auf dem ersten kommerziellen Release der Alternative-Metal-Band: Opiate (1992) versteckt auf ganz besondere Art und Weise den Song The Gaping Lotus Experience.
Die EP umfasst sechs offizielle Songs und markiert den Karrierestart der US-amerikanischen Band. Bereits diese erste EP ist angereichert mit dichten Lyrics, in denen allerlei zu entdecken ist. Gespickt mit kulturtheoretischen wie auch popkulturellen Anspielungen haben Tool hier eine erste Vorahnung ihres verzweigten Songwritings aufkommen lassen. So ist der EP-Titel beispielsweise angelehnt an ein Marx-Zitat: „Religion ist das Opium des Volkes.“ (Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie, 1844).
Parallele Rillen
Doch nicht nur die ersten Tooltexte enthalten bereits Easter Eggs, auch die EP selbst. Denn der Song The Gaping Lotus Experience ist nicht auf der Tracklist enthalten, sondern ein Hidden Track. Dabei ist das Stück auf der CD an den letzten Song Opiate angehangen und erklingt nach 6 Minuten und 6 Sekunden. In Kombination mit der Tracknummer 6 ergibt dies wohl kaum zufällig die 666. Noch interessanter wird es aber, wenn man sich die Vinyl-EP von Opiate anschaut, denn hier wurde der Song auf besondere Weise vor den Zuhörer:innen verborgen. Der Titel befindet sich am Beginn der zweiten Seite der Platte und ist in eine Rille gepresst, die parallel zu Cold And Ugly verläuft. Je nachdem, wo genau man die Nadel also einsetzt, wird der versteckte Song gespielt, für den es etwas mehr Fingerspitzengefühl benötigt, oder eben Cold And Ugly.
Egal, wo man allerdings ansetzt, beide Rillen werden am Ende zusammengeführt und münden dann in den Titel Jerk Off. Damit gehört der Tool-Song zu einer ganz besonderen Art der Hidden Tracks, die so nur selten produziert wurden. Der Kontrast zwischen den Titeln ist dabei ziemlich groß, denn sowohl Cold And Ugly als auch Jerk Off wurden live aufgenommen und haben dabei einen brachialeren Charakter als die gezähmten Studioaufnahmen dieser EP.
Generell offenbart Opiate im Vergleich zu ihren späteren, oft atmosphärischeren Alben eine härtere Seite der Band. Die Songs kombinieren hier düstere, fast nihilistische Texte über Zensur und fanatische Religiosität mit schweren Gitarrenriffs, treibendem Schlagzeug und den kraftvollen, emotionalen Vocals von Maynard James Keenan. Es gibt weniger progressive Strukturen und mehr Anleihen an den Grunge und den frühen Metal-Sound der 1990er Jahre. Es ist vor allem die rohe Energie der Live-Titel, die die EP von den späteren komplexen Werken der Band abhebt – und genau für diesen unbehandelten Charakter wird Opiate von den Fans besonders geschätzt und erlangte sogar Goldstatus.
Prog-Rock trifft auf Metal
Der Song The Gaping Lotus Experience selbst sticht dabei ein bisschen heraus und deutetet vor allem die progressive Einfärbung an, die sich in den Folgewerken stärker in den Vordergrund von Tool spielen soll – weniger Song als absurdes Intermezzo, das mit surrealem Humor und verstörender Atmosphäre spielt.
Der gerade mal zweieinhalbminütige Track beginnt zunächst ruhig, entfaltet sich schnell zu einer chaotischen Mischung aus gesprochenem Wort, verstörenden Klängen und fragmentierten Gedanken. Maynard James Keenan erzählt in einer bizarr lakonischen Manier von einer halluzinatorischen Begegnung, die genauso wahnhaft wie grotesk ist – ein Bild, das zwischen Komik und Verstörung schwebt. Der Track ist ein bewusster Bruch mit jeder Form von Erwartung und wirkt wie eine sarkastische Fußnote, die zeigt, dass Tool nie einfach nur eine weitere Metal-Band war. Stattdessen wird hier das Fundament für ihren Sinn für Ironie, Provokation und die Kunst des Andersseins gelegt – ein hypnotischer Trip in den Kopf einer Band, die sich nie mit Konventionen zufriedengibt.
Tools DIY Hidden Track
Doch dieser Hidden Track ist selbstverständlich kein Einzelfall bei Tool. Auf Undertow befindet sich This Is Necessary, ein surrealer und fast hypnotischer Audioclip, der Tools Vorliebe für Soundcollagen und kryptische Botschaften widerspiegelt. Nach einigen Minuten Stille im Anschluss an den letzten Titel Disgustipated wird der Track komödiantisch durch Grillenzirpen eingeleitet, bevor er schließlich beginnt. Darüber hinaus kursieren hartnäckige Gerüchte darüber, dass es auf 10 000 Days einen Hidden Track gibt, der etwas Eigenleistung erfordert: Denn die Titel Viginti Tres, Wings For Marie und 10 000 Days sollen neu zusammengefügt tatsächlich einen neuen Song ergeben. So gibt es in den Stücken mehrere Zeilen, die einander ablösen und ergänzen. Dabei sind nicht alle von diesem Easter Egg so richtig überzeugt, klingen die Songs doch grundlegend unterschiedlich.