Die australische Psych-Rock-Band Ocean Alley liebt die warmen Vibes vergangener Dekaden. Trotz bewusster Anleihen klingt ihr neues Album Love Balloon aber herrlich frisch. Wie man als sechsköpfige Band an diesem Punkt ankommt, hat uns ihr Gitarrist Mitch Galbraith im Interview erklärt.
Love Balloon, dieser Titel, zusammen mit dem bunten Cover, fasst wirklich gut zusammen, wie sich das neue Album von Ocean Alley anfühlt. Luftig und schwebend wie ein Ballon, mit Texten, die die verschiedensten Dimensionen der Liebe erforschen. Das fünfte Album der australischen Band macht schlicht gute Spätsommer-Laune und klingt noch leichtfüßiger als zuvor.
Was war „zuvor“ und was kommt jetzt?
Ocean Alley wurden in den 2010ern für ihre sonnige Mischung aus alten Rock-Sounds und groovigeren Genres wie Reggae bekannt. Der Song Confidence aus 2018 wurde ein waschechter Hit für die Band und bekam insbesondere in den letzten Jahren nochmal ordentlich virales Momentum auf TikTok.
Dass der Vibe auf Love Balloon nun noch moderner und prägnanter ist, liegt daran, dass es ein wenig poppiger klingt. Es bleibt noch mehr Raum für die schönen Melodien in Baden Donegals Gesang und den Instrumenten. Die Gitarren klingen hier mehr nach psychedelischem Indie-Pop und weniger nach Blues Rock als zuvor. Alles ist etwas softer, dafür sehr catchy und optimistisch klingend.
Gerade im Vergleich zum Vorgänger-Album sehe er diesen Unterschied, erzählt Gitarrist Mitch Balgraith: „Low Altitude Living war ziemlich launisch und trug eher ein düsteres Gefühl. Also dachten wir: Lasst uns einfach das Gegenteil tun. Und das spiegelte den Zeitpunkt wider, an dem wir alle mit unserem Leben waren, mit Familie gründen und solchen Sachen. Also wollten wir uns der Herausforderung stellen, einfach eine Platte zu schreiben, die sich von der letzten unterscheidet. Wir wollten dem Songwriting ein etwas positiveres Gefühl verleihen, aber dass der Ton dem letzten ziemlich ähnlich bleibt.“
Liebe überall
Schließlich war das vorherige Album auch noch während der COVID-Zeit entstanden, was natürlich eine ziemlich andere Lebenssituation mit sich gebracht hatte, als nun bei Love Balloon. Textlich konzentrierte sich Frontmann Baden Donegal nun auch auf etwas Positives: Liebe, in all ihren Facetten. Laut Mitch Galbraith, der auch manchmal ein paar Strophen hinzufügt, geht es etwa um die Liebe zur Familie. Aber auch, wie man seine Freund:innen und sich selbst liebt, ist Thema.
Es war nicht als Konzeptalbum geplant, aber dieses verbindende Element der Liebe kristallisierte sich im Prozess heraus. Und so zeige sich meistens die Identität eines neuen Albums: „Wann immer wir uns daran machen, unser nächstes Werk zu erschaffen, schreiben wir einfach die Songs, die wir gerne schreiben. Und wenn wir erst einmal eine Menge Songs gesammelt haben, können wir wissen, in welche Richtung es gehen wird. Wir haben uns nie vorgenommen, einen spezifischen Sound zu schreiben.“
Hinzu kam die Zusammenarbeit mit einem neuen Produzenten, Nick DiDia (Bruce Springsteen, Rage Against The Machine). Mit ihm konnten sie sich richtig auf das Gefühl des jeweiligen Songs einstimmen und wenn nötig Elemente zurückschrauben, die dieses Gefühl verwässerten. Es sollte den Ocean-Alley-Stil behalten, aber nicht überproduziert klingen. Ein paar große Neuerungen kann Galbraith aufzählen: „Wir waren in einem neuen Studio, also nutzte unser Keyboarder alle coolen Keyboards dort aus. Und wir hatten einen Typen, der bei einigen Tracks für uns Percussion spielte, und auch einige andere Backgroundsänger:innen, um manchen Songs etwas mehr Textur zu verleihen. Das ist das erste Mal, dass wir das gemacht haben und jemanden gefunden haben, der bei ein paar der Tracks eine so große Rolle spielt.“
Die Natürlichkeit im Alten
Die musikalischen Einflüsse haben sich seit den Anfangstagen jedoch wenig verändert, erklärt der Gitarrist – Hauptsache sei, man schreibt nicht das gleiche Album zweimal. Nach wie vor habe Musik, die ein paar Jahrzehnte älter ist, einen großen Stellenwert. „Als wir zusammenkamen, spielten wir Cover von Classic-Rock-Songs, Neil Young und Bob Marley und so weiter, weil sie Spaß machen und einfach zu spielen sind“, erinnert sich Galbraith. „Und wir respektierten einfach die Natürlichkeit dieser Art von Musik, insbesondere die Live-Auftritte einiger dieser Songs in den 60ern, 70ern und 80ern. Gruppen wie Fleetwood Mac und Bee Gees und ähnliches waren die Musik, die unsere Eltern hörten, Black Sabbath, Dire Straits. Wir waren endlich ein bisschen erwachsen genug waren, um diese Art von Musik zu schätzen. Wenn man die High School verlässt, fängt man tatsächlich an, einen guten Geschmack zu entwickeln, und nicht nur einen kindischen Geschmack. Es war coole Musik und wir wollten nachahmen, was diese Bands damals gemacht haben, aber auf unsere eigene Art und Weise.“
Ocean Alley als simples Rock-Revival à la Greta Van Fleet oder ähnlichen Bands zu bezeichnen, wird ihnen aber nicht gerecht. Die Gitarren in Thru Everything erinnern zwar klar an Dire Straits; Left Of The Dealer könnte ein Cover eines 70er-Blues-Songs sein. Viele Elemente sind klare Rückblicke, aber insgesamt klingt Love Balloon frisch. Der alte Spirit sei so faszinierend und inspirierend, denn: „Wir sind keine Analog-Nerds oder so. Aber damals war es aufgrund der Technologie, vor allem auf der Bühne, viel schwieriger, diese Shows auf die Beine zu stellen und sie großartig klingen zu lassen. Es gab nichts, hinter dem man sich verstecken konnte. Es waren einfach nur Bands, die ihre Instrumente spielten“ – besonders roh und ehrlich eben.
Die Banddynamik über die Jahre
Eine echte Band sind Ocean Alley definitiv, sogar eine sechsköpfige – was es bestimmt oft schwer macht, den Raum im Song nicht zu überfüllen. Sich gemeinsam auf Ideen einigen und Kompromisse finden, das können sie aber mittlerweile sehr gut, meint Galbraith: „Wir sind ziemlich enge Freunde und schon lange zusammen. Normalerweise klären wir das also und keiner von uns hat ein großes Ego. Wir haben alle die gleiche Denkweise: erst das zu tun, was für die Musik und die Band am besten ist, bevor man das tut, was für einen selbst gut ist. Um dies zu erreichen, bringt jeder die unterschiedlichsten Opfer. Und jeder ist ein bisschen anders. Aber wir sind uns dessen immer bewusst und erkennen, dass das, was wir haben, etwas ganz Besonderes ist.“
Reife Einstellung! Aber schließlich kennen sich manche der Jungs in Ocean Alley schon über 20 Jahre lang und sind „mehr Familie und Freunde, als dass wir Arbeitskollegen sind“. Am Lineup hat sich erstaunlicherweise nie etwas verändert. Die Band gründete sich um 2009 oder 2010, als es noch ein rotierender Kreis aus verschiedene Freund:innen war, die zusammen in einem Schuppen Musik spielten, wie Galbraith erzählt. Aber seit dem Punkt, an dem die erste eigene Musik aufgenommen wurde, blieb die Besetzung gleich.
Das klingt nach einer unbeschwerten Anfangszeit. An besonderen Momenten gab es viele, meint Galbraith. „Aber meine schönste Erinnerung ist, als wir im Schuppen anfingen und dann in den Hinterhöfen der Leute spielten und dann in beschissenen, winzigen Venues, wo tagsüber niemand da war. Bevor wir dafür bezahlt wurden, Musik zu machen. Bevor wir überhaupt einen Auftritt in einer Kneipe für 50 oder 100 Dollar hatten. Als wir es nur zum Spaß im Schuppen machten. Es kommt mir ziemlich verrückt vor, wenn ich an die ganze Zeit zurückdenke und dann darüber nachdenke, wo wir jetzt sind.“ Trotzdem seien nun die Ziele immer noch gleich, meint er: immer größere Gigs spielen und vor allem dankbar dafür sein, dass man diese Möglichkeit hat, von der eigenen Kreativität zu leben.