Die wichtigsten Metal-Alben aller Zeiten zu küren, gehört nicht gerade zu den leichtesten Übungen. Doch bei Rust In Peace von Megadeth dürfte es keine zwei Meinungen geben: Was die Kalifornier am 24. September 1990 abliefern, ist nicht weniger als ein Meilenstein des Genres – inspiriert von einem Autoaufkleber.
Ende der Achtziger weht bei Megadeth ein rauer Wind. Bassist Dave Ellefson leidet an Drogenproblemen, weshalb die Band im August 1988 nach nur einer Show in Schweinfurt aus der europäischen Monsters Of Rock-Tour ausscheidet. Wenig später setzt Mastermind Dave Mustaine Schlagzeuger Chris Behler und Gitarrist Jeff Young vor die Tür, ebenfalls aufgrund ihres Drogenkonsums. Und auch Mustaine selbst hat seinen Rauschmittelkonsum damals nicht im Griff, was schon der Grund für seinen Rauswurf bei Metallica war. Er begibt sich in eine Entzugsklinik. Es ist das erste von insgesamt 15 Malen – doch zumindest für den Moment kommt Dave Mustaine wieder zu Kräften und ebnet damit den Weg für eines der besten Megadeth-Alben überhaupt.
Rust In Peace: Vom Autoaufkleber zum Megadeth-Album
„May all your nuclear weapons rust in peace“ – Als Dave Mustaine eines Abends vom Lake Elsanon nach Hause fährt und einen Autoaufkleber mit dieser Aufschrift sieht, schaut er zweimal hin. „Ich dachte mir: Rust In Peace. Verdammt, das ist ein guter Titel“, verrät er 1990 im Interview mit einer polnischen Rock- und Metal-Website. Er überlegt weiter: „Was meinen die mit ‚in Frieden rosten‘?“ Dann sieht er es vor sich: ausgemusterte Sprengköpfe, die am kalifornischen Strand vor sich hin altern, und Kinder, die mit Graffitidosen darauf sprühen. Die Autofahrt ist die Initialzündung für das vierte Album seiner Band Megadeth, mit dem die Gruppe endgültig zu sich selbst findet. Doch was bedeutet das genau?
Rust In Peace und mehr im Circle Store:
Nach seinem Entzug bringt Mustaine Ordnung in seine Band. Dave Ellefson bleibt an Bord, doch statt Chuck Behler übernimmt Nick Menza die Trommelstöcke (RIP!). Als Gitarrist holt Mustaine einen Herrn namens Marty Friedman an Bord, was sich als schlaue Entscheidung herausstellen soll, denn die beiden bilden eine bis heute legendäre Gitarrendoppelspitze. Ohne Umschweife beginnt das neue Line-up mit der Arbeit an Rust In Peace – und übertrifft sich selbst. Musikalische Virtuosität trifft auf jugendliche Wut über Themen wie Krieg, Politik und die Umwelt. Der wieder erstarkte Dave Mustaine holt das Beste aus seiner neuen Band heraus – und Fans weltweit feiern das Album als das, was es ist: eine der besten Metal-Platten aller Zeiten.
Setzt auch Jahrzehnte später keinen Rost an
Ob Tornado Of Souls, Hangar 18 oder der Opener Holy Wars... The Punishment Due: Megadeth beschäftigen sich auf Rust In Peace mit Verschwörungstheorien über Aliens, der Marvel-Figur The Punisher und dem Nordirlandkonflikt. All das verpacken die Musiker in Flitzefinger-Riffs, epische Soli und balladeske Parts, ohne dabei auch nur einmal den Anschein zu erwecken, als wüssten sie nicht genau, was sie da tun. Wer im Jahr 1990 Rust In Peace auf den Plattenteller legt (oder vielmehr ins CD-Fach), weiß genau: Hier hat eine Truppe zusammengefunden, die den Metal prägen wird, und zwar zu einer Zeit, die für das Genre nicht unbedingt zu den leichtesten gehört.
Als Rust In Peace am 24. September 1990 erscheint, erhalten Megadeth folglich viel Lob für ihr viertes Werk. Der deutsche Metal Hammer vergibt zum Beispiel die volle Punktzahl von 7 Punkten für die Platte. Heute gilt: Wo immer Listen mit den großartigsten Metal-Alben aller Zeit erstellt werden, darf Rust In Peace neben Reign In Blood von Slayer und Master Of Puppets von Metallica auf keinen Fall fehlen. Doch damit endet die Megadeth-Geschichte noch lange nicht: Nur zwei Jahre später veröffentlichen Dave Mustaine und seine neuen Kollegen Countdown To Extinction, das sich noch viel besser verkauft als sein Vorgänger. Bis 2003 bleibt das „klassische Megadeth-Line-up“ eine Einheit und schreibt Musikgeschichte.