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5 (+1) Wahrheiten über Metallicas „Master Of Puppets“

Heute präsentieren wir euch ein paar weniger bekannte Fakten über das dritte Metallica-Album Master Of Puppets. Die Scheibe von 1986 gilt als eine der Sternstunden des Heavy Metal und hat die vier zotteligen Jungspunde an die Spitze eines ganzen Genres katapultiert.

von Christof Leim

Hier könnt ihr euch Master Of Puppets anhören:

1. Kein Masterplan für Master Of Puppets

Als Metallica im Herbst 1985 ihr drittes Album aufnehmen, gibt es keinen großen Plan, keinen langen Vorlauf. Die Band führt einfach weiter, was sie mit Ride The Lightning begonnen hat: Hochenergie-Thrash mit Harmonien und Strukturen jenseits von reinem Geballer – nur noch größer, noch besser, noch bombastischer. Dass die vier Langhaarigen damit einen Meilenstein zusammenzimmern, ist ihnen nicht bewusst. Wie auch, bei dem Tempo: Die Band gibt es da erst vier Jahre, das Debüt Kill ‘Em All kam gerade zwei Jahren vorher raus. Als Metallica für Master Of Puppets im Studio in Kopenhagen aufschlagen, sind sie im Schnitt gerade mal 22 Jahre alt.

Im US-Rolling Stone wundert sich Lars Ulrich später: „Wir haben das Material in ungefähr acht Wochen geschrieben. Was zum Teufel ging ab im Sommer 1985, dass wir in der Zeit so eine Platte von der ersten bis zur letzten Note aus dem Boden stampfen konnten? Alles drehte sich um Musik, 24 Stunden am Tag, ohne irgendwelche versteckten Motive. Wir haben einfach Musik gemacht und Bier getrunken.“

2. Die Inspiration kommt von überall.

Auf Puppets verfeinern Metallica die Formel mit geileren Riffs, epischeren Melodien und clevereren Strukturen. Die Inspiration dazu kommt aus den unterschiedlichsten Ecken:

Das akustische Intro von Battery fliegt James Hetfield zu, als er im TV nach Sendeschluss (gab’s damals noch!) das klassische Stück Pavane von Gabriel Fauré hört und aus Langeweile mitklimpert. Das Galoppriff der Strophe entsteht auf einer Akustischen in London.

Die Macht von Drogen macht er zum Thema des Titelstücks, nachdem er auf einer Party in San Francisco Heroinkonsumenten erlebt. Die Zeile „chop your breakfast on a mirror“ beschreibt Metallica-Kumpel Rich Burch, der jeden Morgen in der Bandwohnung eine Line Speed zieht – weil bei ihm daheim sonst die Mama meckert.

Das „Ding“ in The Thing That Should Not Be stammt aus H.P. Lovecrafts Gruselklassiker Schatten über Innsmouth von 1936.

Dass Lars und James viel vor dem Fernseher rumhängen, schlägt ebenfalls durch: Welcome Home (Sanitarium) beschreibt die Irrenanstalt aus dem Film Einer flog übers Kuckucksnest mit Jack Nicholson. Hetfield deutet Jahre später mal an, dass bei der Nummer der Song Rainbow Warrior von Bleak House, einer obskuren Kapelle aus der New Wave of British Heavy Metal (NWoBHM), Pate gestanden hat. Auch ein Vergleich mit Tom Sawyer von Rush erweist sich als interessant. Mit Disposable Heroes reagieren die Musiker auf Fernsehdokumentationen über den zweiten Weltkrieg, Leper Messiah zielt auf die unzähligen TV-Prediger in den USA. Den Titel borgt sich Hetfield übrigens von einer Zeile der David Bowie-Nummer Ziggy Stardust.

Für die majestätischen Harmonien in Orion greift Cliff Burton auf seine musikalische Ausbildung und Vorliebe für Klassik zurück: „Bach is god“ verkündet er damals gerne.

Die Zeile „Blood will follow blood“ von Damage, Inc. fällt Lars und James bei einem Filmtrailer auf. Für das Bassintro lässt sich Cliff vom Choral Komm süßer Tod von Johann Sebastian Bach inspirieren – und freut sich, dass man das nachher nicht mehr so deutlich hört.

Keinen kreativen Einfluss mehr gibt’s von Ex-Gitarrist Dave Mustaine (Megadeth), dessen Ideen sich noch auf Kill ‘Em All und Ride The Lightning finden. Mustaine behauptet zwar später, dass Leper Messiah ein Riff von ihm enthält aus Zeiten, als der Song noch The Hills Run Red hieß, aber Metallica bestreiten das.

3. Master Of Puppets ändert vieles – für Metallica und die Szene.

Nach dem 3. März 1986 sieht die Welt für Metallica anders aus: Mit der Veröffentlichung des Albums wird aus der Kultkapelle eine Metal-Macht und unzweifelhaft eine der wichtigsten Bands des Genres. Bis dahin spielt sich Thrash Metal im Underground ab, Master Of Puppets aber steigt als erstes Album mit so harter Musik in die Charts ein und erreicht in USA Platz 29, in Deutschland Platz 31.

Die fünfmonatige US-Arena-Tour mit Ozzy Osbourne im Sommer 1986 bringt die Band dem Mainstream-Metal-Publikum nahe. Leider bricht sich James Hetfield während dieser immens wichtigen Konzertreise das linke Handgelenk und kann wochenlang auf der Bühne nur singen. Am Ende der Tour am 3. August 1986, an Hetfields 23. Geburtstag, erhalten die vier Musiker sogar Goldauszeichnungen und den Hinweis, sie könnten sich jetzt vernünftige Wohnungen und Häuser leisten. Die anschließende Damage Inc.-Tour durch Europa gerät zum ausverkauften Triumphzug.

Das wirkt sich langsam, aber sicher auf das Privatleben aus: Zwar sind Metallica noch bei weitem keine Superstars, die irgendwer außerhalb der Welt der harten Musik kennt, doch die Vier müssen eine Art „Radar“ entwickeln, wie Kirk Hammett es ausdrückt, um allzu übereifrige, hyperventilierende Metalheads auf Abstand zu halten. Bei Konzertbesuchen zu Hause in der Bay Area können sie sich nicht mehr ganz frei bewegen („Ey, seid ihr jetzt zu fein für den Moshpit?“), ein Bekannter von Kirk verkauft sogar die Telefonnummer des Gitarristen für 50 Dollar. In Hotels checken die Musiker deshalb unter Pseudonym ein. Lars nennt sich „Richie Rippensmoke“, James ist „Jimmy Vodz“, Kirk heißt „Melvin Poterzebie“ und Cliff „Samuel Burns“.

Der größte Umbruch kommt für Metallica mit dem Tod von Cliff Burton bei einem Busunglück in Schweden am Morgen des 27. September 1986. Weil der Bassist musikalisch und persönlich kaum zu ersetzen ist, wird die Band immer mehr zur Lars-und-James-Show, was Cliffs Nachfolger Jason Newsted deutlich zu spüren bekommt. Die Wirkung von Puppets auf die Szene fasst Scott Ian von Anthrax zusammen: „Metallica haben erst die Tür für Bands wie uns geöffnet.“

4. PMRC-Sticker

Weil Mitte der Achtziger die Moralapostel des PMRC mit den berühmten „Parental Advisory“-Aufklebern vor böser Sprache in der Musik warnen will, lassen Metallica ihrerseits einen Sticker anbringen: „Der einzige Track, den du besser nicht spielen solltest, ist Damage Inc., weil darin das berüchtigte F-Wort vorkommt. Ansonsten gibt es auf dieser Platte nirgends Scheiße, Fuck, Pisse, Fotze, Motherfucker oder Schwanzlutscher.“

5. Die Scheibe ist offiziell „kulturell wertvoll“.

Lesesaal der Library of Congress Lesesaal der Library of Congress. Bild von Carol M. Highsmith [Public domain], via Wikimedia Commons

Jawohl, man darf das Album Kultur nennen: Am 23. März 2016 wird Master Of Puppets in die „National Recording Registry“ aufgenommen. Das ist eine Sammlung der US-Kongressbibliothek von Aufnahmen, die „kulturell, historisch oder ästhetisch wichtig sind oder das Leben in den Vereinigten Staaten reflektieren“. Quasi ein amerikanisches „Weltkulturmusikerbe“. Dort befinden sich Metallica – als erste Metal-Band – in der Gesellschaft von Miles Davis, Glenn Miller, den Beatles und Astronaut Neil Armstrong mit seinen Funksprüchen vom Mond. Auch Nirvana, die Ramones und Public Enemy sind vertreten. Man könnte sagen: Master Of Puppets ist E-Musik. Hätte der Musiklehrer damals auch nicht gedacht.

6. Eine tragische Entscheidung

Cliff Burton's memorial in Ljungby, Sweden Cliff Burtons Gedenkstätte in Ljungby, Schweden. Bild von Jens Eriksson aus Stockholm, Schweden (Cliff Burton) [CC BY-SA 2.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0)], via Wikimedia Commons

Am Abend vor Cliff Burtons Tod gibt es im Metallica-Bus Diskussionen über die Kojenbelegung. Kirk und Cliff ziehen Karten, Cliff gewinnt mit einem Pik-As und darf deshalb Kirks Bett übernehmen. Am frühen Morgen des 27. September 1986 kommt der Bus auf dem Weg von Stockholm nach Kopenhagen ins Schlingern und kippt schließlich um. Cliff wird aus dem Fenster an seiner Koje geschleudert, das Fahrzeug landet auf ihm. Er verstirbt mit 24 an der Unfallstelle… Der Fahrer spricht später von vereister Fahrbahn, denkbar ist auch ein Sekundenschlaf. Vollständig aufgeklärt wird der Unfall nie.

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