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Foto: Frank Hoensch/Getty Images

Premiere auf Paletten: Die Fantastischen Vier werden 35

Ihr erstes Konzert unter dem Namen Die Fantastischen Vier geben Smudo, Thomas D, Michi Beck und And.Ypsilon nicht etwa in einem Club oder gar auf einem Festival. Nein, am 7. Juli 1989 rappen die Stuttgarter in einem Kindergarten — auf einem Stapel Europaletten. Um ihren ersten Auftritt als Quartett handelt es sich dabei allerdings nicht.

Hier könnt ihr euch Captain Fantastic von Die Fantastischen Vier anhören:

Ihr tatsächliches Live-Debüt, damals noch unter dem Namen Terminal Team, geben Thomas D und Co. bereits am 10. Juni 1988 im Jugendhaus in Stuttgart-Heslach. Fünf D-Mark Eintritt soll der Abend kosten. Als die Musiker merken, dass kaum jemand bereit ist, diesen Preis zu bezahlen, senken sie ihn auf drei Mark. Eine der größten Hip-Hop-Gruppen Deutschlands? Davon ist damals noch nicht viel zu spüren. Vor allem Smudo ist höllisch nervös. Liveauftritte der Band übersteht er viele Jahre lang nicht, ohne sich vorher zu übergeben. Dann klaut an diesem ersten Abend auch noch jemand die Abendkasse mit 80 Mark Wechselgeld … Trotzdem: Am Ende wird alles gut.

Ein Manager für Die Fantastischen Vier

Die Musikanlage für ihr Konzert karren die Fantas in einem Fleischtransporter zum Ort des Geschehens — gut gekühlt, versteht sich. Doch der Frost hält nicht lange an: Die Jungs heizen dem je nach Quelle 30 bis 90 Personen starken Publikum kräftig ein, unter anderem mit ihrem Schweine-Rap. Dabei handelt es sich um einen der wenigen deutschsprachigen Texte des Quartetts, denn der Auftritt fällt in die Zeit, als die vier Rapper noch englischsprachig unterwegs sind. Dennoch: Schon beim ersten Auftritt ist sicht- und hörbar, dass die Vier genau die richtige Energie versprühen, um es bis an die Spitze des Pop-Olymps zu schaffen. Das bemerkt wenig später auch Andreas „Bär“ Läsker.

Bär betreibt damals einen Plattenladen in Stuttgart, zu dessen Stammkunden unter anderem Michi Beck zählt. So fährt der junge Rapper zu Beginn des Jahres 1989 regelmäßig mit seinem vollgemalten Audi A80 vor, um Bär zu fragen, ob das erste Album von De La Soul endlich da ist. Eines Tages drückt Michi dem Mann hinter dem Tresen eine Kassette von den Fantastischen Vier in die Hand. Er könne ja mal reinhören, sei von ihm, sei ganz cool. Bär befürchtet das Schlimmste. Schließlich ist Beck nicht der erste lokale Musiker, der von sich behauptet, den neuen heißen Scheiß gefunden zu haben. Doch diesmal ist alles anders. Als Bär das Tape hört, denkt er: „Wow, stimmt eigentlich.“ Hip-Hop in deutscher Sprache; darauf ist noch keiner gekommen. Er beschließt, dem Projekt eine Chance zu geben, unterzeichnet einen Management-Vertrag mit den Jungs — und stellt auch gleich die erste Show für die vier Musiker auf die Beine.

Das erste Konzert der Fantastischen Vier

In der Stuttgarter Party- und Konzertszene sind die Wege für Bär kurz. Er kennt alles und jeden, legt selbst regelmäßig als DJ auf und veranstaltet eigene Feten. Weil damals gerade der erste Batman-Film von Tim Burton über die Kinoleinwand flimmert und sich das Thema größter Beliebtheit erfreut, organisiert er eine Batman-Party in einem stillgelegten Kindergarten — und bucht auch die Fantastischen Vier dazu. Eine Bühne für seine neuen Schützlinge gibt es dort nicht, doch die Musiker wissen sich zu helfen und schleppen kurzerhand einige Europaletten in die Räumlichkeiten, um darauf zu performen.

Das Kindergartenkonzert am 7. Juli 1989 markiert den offiziellen Startschuss für die erste große Hip-Hop-Gruppe Deutschlands. Auch die Fantas selbst nehmen das Datum sehr ernst. Noch heute rufen sie sich an jedem Fanta-Geburtstag gegenseitig an — und gratulieren sich zu ihrer wilden Erfolgsgeschichte.


Diese Geschichte ist eine von vielen aus dem Buch Die Fantastischen Vier – 35 Jahre troyer Hip-Hop von Timon Menge. Die Anekdotensammlung ist am 19. März 2024 im Riva Verlag erschienen.

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