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Foto: Universal Music

Salò im Interview: „Ich finde Rechtschreibfehler richtig geil“

Salòs neues Album Problemzone Mensch kann bitterernste Themen in viel lustigem Trash verpacken. In einem Gespräch hat Salò uns erklärt, wieso er Humor vorzieht, was ihn am Punk anödet und was ihm sein Germanistik-Studium gebracht hat.

Als Salò sich um 12 Uhr mittags ins Zoom-Interview zuschaltet, sitzt er ziemlich ausgepowert in seinem Wohnzimmer und erzählt: „Ich bin eben erst aufgewacht. Wir kamen gestern von der Tour zurück.“ Und wer schon mal ein Salò-Konzert erlebt hat, kann sich wirklich nicht darüber wundern, dass er danach körperlich fertig ist. Die punkige Energie, die seine Musik in sich trägt, darf live mal so richtig Gassi gehen. Es ist schwitzig und laut; da wird sich schonmal auf dem Boden liegend fast mit dem Mikrofonkabel erdrosselt.

Von Punk und Pop

Dass Salò klassischen Punk macht, stimmt aber nicht. Der Wiener sticht schon seit ein paar Jahren gerade deswegen heraus, dass er seine punkige Aggression und Liebe für rohen Sound mit tanzbaren Neue-Deutsche-Welle-Sounds mischt. Altmodische Drum-Machines und catchy Synthesizer-Melodien treffen auf schrammelnde Gitarren und einen Gesangsstil irgendwo zwischen Schreien und Blöken.

„Das neue Album ist mein punkigstes und poppigstes zugleich – wie auch immer das möglich ist“, sagt Salò. Als Pop-Punk kann man das Ganze nicht bezeichnen, er mag dieses Genre auch gar nicht. Dass er aber doch mit Punk großgezogen wurde, merkt man seiner Musik an. Tatsächlich hat Andreas Binder aka Salò vor vielen Jahren noch in Hardcore-Punk- und Metal-Bands gespielt. Den Einfluss lebt er noch immer, die Energie ist wichtig. Bei Salò-Konzerten spielt er mittlerweile sogar ein Cover von Counting Worms von Knocked Loose, erzählt er begeistert.

Warum hat er sich also irgendwann vom klassischen Hardcore und Metal verabschiedet? Die Genres stagnierten ihm irgendwann etwas zu sehr, sagt er. Zum einen seien da die Leute: „Wer mit 30 noch so eine Musik hört, ist für mich absolut hängengeblieben“, erklärt er augenzwinkernd. Zum anderen würden viele musikalische und textliche Motive andauernd wiederholt: „Es ist immer düster und immer abgedroschen, theatralisch. […] Es sind immer die gleichen Phrasen: ‘Undertow’ und man wird immer ‘betrayed’. Es ist immer atheistisch, das klingt auch immer sofort cool: ‘God is dead!’“

Der Wolf im Schafspelz

Salò fällt eindeutig nicht in die lyrischen Klischees, die er beschreibt. Mit viel Humor und einem Faible für Trash sind seine Texte oft, gelinde gesagt, unterhaltsam. Auf dem neuen Album Problemzone Mensch gibt es etwa Songs mit Titeln wie Staubsaugermann oder Sexy Sport Clips. Unter diesem Humor versteckt sich aber oft ein ernstes Thema.

Im Fall von Sexy Sport Clips zum Beispiel. (Wer sich nicht daran erinnert: Das war eine Softporno-Sendung, die nachts auf Sport 1 im Fernsehen lief, und bei der leicht bekleidete Damen erotisch anmutend Sportübungen vollführten.) Für den jungen Andreas Binder war diese Sendung der erste Kontakt mit dem nackten weiblichen Körper; währenddessen wurde er in der Show noch ständig mit Werbung bombardiert. „Für ein junges Hirn sehr aufregend und verwirrend“, zieht Salò als Fazit. „Währenddessen hatten wir auch diesen Elektroschockgurt zuhause, mit dem man seine Bauchmuskeln trainieren kann. Meine Mutter war in einem Fitnesswahn und ich war ein dickes Kind und wurde immer getriezt, um schlank zu sein.“ Da sind also verschiedene extreme Körperideale, die in einem anderthalbminütigen, oberflächlich lustigen Punk-Song bearbeitet werden.

Ein Beweis dafür, dass ernste Themen nicht immer dramatisch vorgetragen werden müssen und in einem vermeintlich albernen Kontext manchmal sogar eine stärkere Wirkung erzielen können. Auf die Frage hin, ob ihn es störe, wenn Leute seine Musik auf den Humor reduzieren, antwortet Salò gelassen: „Das können sie gerne machen. Ich will auch keine ernsthafte Musik machen. Musik muss unterhalten, auch wenn sie eine Message hat. Belehrende Musik und einfache Botschaften finde ich extrem öde und holen mich überhaupt nicht ab. Es braucht einen Twist.“ Statt Parolen legt er eher Wert auf Subtilität: „‘Kapitalismus ist scheiße, Sexismus ist kacke, scheiß auf die AfD!’ Ach wirklich? Good to know! […] Für Hass ist bei mir sowieso kein Platz. Dass wir die AfD hassen, ist klar.“

„Ich hatte mich auserzählt“

Neben Body Issues spricht das Album Problemzone Mensch aber auch beispielsweise psychische Probleme an. Denn wie der Titel schon andeutet, thematisieren die Songs verschiedenste Dilemmas des Menschseins. Bis er bei diesem Titel ankam, dauerte es aber eine Weile, denn das Album war eine größere Herausforderung als zuvor. „Ich hatte kurz das Gefühl, ich hatte mich auserzählt“, gibt Salò zu. „Alle meine Inspirationen, die ich mein ganzes Leben lang geschöpft hatte, aus Film, Musik, Literatur sind alle in meine ersten drei Werke geflossen. Vor Problemzone Mensch stand ich kurze Zeit vor dem Problem, dass ich nicht genau wusste, womit ich mich jetzt auseinandersetzen soll.“ Schließlich seien ihm aber viele Songs vereinzelt zugeflogen, die dann gemeinsam diesen Themenbereich der Problemzone Mensch bildeten.

Diese ganzen ernsthaften Themen sind in den Songs so unterhaltsam verpackt, weil Salò ein Auge für die Absurditäten des Alltags hat: „Ich werde niemals einen Song schreiben und sagen: ‘Der muss jetzt aber lustiger werden.’ Es passiert einfach so, dass durch die Situation eine gewisse Situationskomik entsteht. Und lustig ist es vor allem dann, wenn du etwas beschreibst, wie es wirklich ist.“

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Seine Herkunft spiele dabei auch eine Rolle: „In Österreich hast du sowieso einen gewissen Grundhumor, den es in vielen Bundesländern in Deutschland nicht so gibt. Österreich ist nicht so straight, sondern es geht viel durch die Blume und durch Jokes, die oft nicht verstanden werden in anderen Ländern.“ Auch das Genre sei prägend dafür, sagt er später: „Ich kann den Finger nicht drauf legen, aber eine gewisse Absurdität ist dem deutschen Punk eigen.“

Die Macht der Sprache

Trotz seiner Hardcore-Wurzeln wolle er nie mehr auf Englisch singen, da es nicht zu ihm passe. Die englische Sprache sei für heavy Musik aber perfekt gemacht, sagt Salò: „Die Syntax der englischen Sprache ist so anders zur deutschen. Es klingt alles geil auf Englisch. Die einfachsten Sätze klingen gleich bedeutungsschwanger. Im Deutschen musst du schon die richtigen Worte finden, dass es nicht dumm klingt.“ Schließlich hat Andreas Binder unter anderem Germanistik auf Lehramt studiert.

Aus dem Fach habe er aber hauptsächlich Literaturempfehlungen mitgenommen. Mit den gelernten Sprachregeln versuche er nun eher zu brechen, beispielsweise mit Komma-Regeln: „Ich habe jetzt mit Beistrichsetzung aufgehört. Ich finde Beistrichsetzung whack im Social-Media-Bereich. Ich finde es viel witziger, keine Beistriche zu benutzen oder Rechtschreibfehler zu machen. Ich finde Rechtschreibfehler richtig geil. Es hat wahrscheinlich begonnen mit Money Boy und den ganzen Leuten. Wenn ich einen Instagram-Post mache und ich mache unabsichtlich einen Rechtschreibfehler, lasse ich ihn drin.“

Ikkimel und Wogen glätten

Viele Fans überraschte Salò dieses Jahr durch ein Feature mit Ikkimel. Das sei entstanden, da er direkt bei einer der ersten Ikkimel-Singles großer Fan wurde und wusste, dass er sie auf einem Song haben wollte. Noch bevor ihr Hype richtig startete, hatten die beiden Kontakt und setzten sich an den Song Männergefühle. „Wenn ich ein Feature suche, dann ist es immer ein weibliches Feature. Finde ich einfach cooler. Ich mag weibliche Stimmen“, erklärt der Wiener.

Für sein nächstes Projekt habe er aber keine Features geplant. „Ich mache jetzt noch eine EP bis Mai. Eine punkige, um ein bisschen die Wogen zu glätten und das ganze Pop-Ding wieder auszubessern“, verrät er. „Die meisten Songs sind schon fertig und ich brauche jetzt noch einen neuen Sound. Mal schauen, wie der so wird. Aber es wird wieder lustig. Muss lustig werden!“

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