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Foto: Rob Verhorst/Redferns/Getty Images

30 Jahre „Janet“: Wie Janet Jackson ihrem Bruder Konkurrenz machte

In der Jackson-Familie ist die Hackordnung zu Beginn der Neunziger eigentlich eindeutig geklärt: Erst kommt Michael Jackson, dann sehr lange nichts, dann seine Schwester Janet. 1993 legt die mit dem schlicht Janet betitelten Album dann aber eine Granate aus Sex und Empowerment vor, die den großen Bruder ganz schön ins Schwitzen bringt.

von Björn Springorum

Die Jüngste zu sein ist in keiner Familie leicht. Die Jüngste von zehn Kindern zu sein – noch mal eine ganz und gar andere Herausforderung. Janet Jackson findet dennoch einen Weg, sich in dieser kompetitiven und dysfunktionalen Familie zu behaupten. Erst mit Rollen in Sitcoms, ab den frühen Achtzigern auch mit Musik. Sie nutzt ihre Platten als Bühne für ihre libertäre Botschaft, bricht schon früh Gender-Rollen und rührt in ihrer Musik visionär Rhythm and Blues, Rap, Pop, Funk und elektronische Beats zusammen.


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„Ein Rembrandt steht selten zum Verkauf“

Zu Beginn der Neunziger ist Janet Jackson zum Vorbild für eine ganze Generation geworden, zum einzigen anderen Mitglied des Jackson-Clans, das es ernsthaft mit Michael aufnehmen kann. Das lässt sie sich gleich mal vergolden: Im Frühling 1991 entbrennt ein regelrechter Bieterwettstreit um sie. So ziemlich jedes große Label möchte sie bei sich im Stall haben – ihr bisheriger Partner A&M, aber auch Capitol, Virgin oder Atlantic. Im März 1991 unterzeichnet sie bei Virgin den „lukrativsten Vertrag in der Musikgeschichte“, wie die New York Times damals urteilt.

Labelpräsident Richard Branson soll sich sogar unter vier Augen mit Jackson unterhalten haben, um den Deal unter Dach und Fach zu bringen – für mutmaßliche 50 Millionen US-Dollar. „Ein Rembrandt steht selten zum Verkauf“, sagte er damals. „Und wenn er das tut, gibt es eine Menge Leute, die alles dafür geben, ihn zu kriegen. Ich war einer davon.“ Das kann ihr Bruder natürlich nicht auf sich sitzen lassen: Nur wenige Tage später unterschreibt der bei Sony – für schlappe 60 Millionen Dollar.

Operngesang und Public Enemy

Bevor Janet Jackson diesen Vorschusslorbeeren mit ihrem vertrauten Produzententeam Jimmy Jam und Terry Lewis ein erstes Album folgen lässt, spielt sie noch eben ihre erste Hauptrolle neben Tupac Shakur in Poetic Justice. Dann geht es aber endlich an die Arbeit: Zwischen September 1992 und Februar 1993 nimmt sie ihr fünftes Album in den Flyte Tyme Studios in Edina, Minnesota auf. Von Glamour keine Spur: In dem kleinen Nest in den endlosen Weiten der USA lenkt die Sängerin nichts ab, sie kann sich voll auf die Aufnahmen konzentrieren.

Nach vier weitgehend ohne sie entstandenen Alben beteiligt sich Janet Jackson merklich mehr an Songwriting und Produktion. „Alle meine Alben sind persönlich, doch Janet ist mein persönlichstes. Deswegen war es mir wichtig, alle Texte und die Hälfte der Melodien zu schreiben“, sagte sie mal. Überhaupt zeigt sie sich sehr selbstbewusst und progressiv: Neben ihrer üblichen Crossover aus Pop und Soul, Funk und Rap lässt sie Opernsängerin Kathleen Battle singen und Public Enemys Chuck D hart rappen. Beides hätte man so nicht von ihr erwartet, beides zeigt neue Facetten an ihr als offene, selbstbestimmte Künstlerin. Ihr erhöhter Input gibt Janet einen ganz eigenen Trademark-Sound, der sich merklich von den vorigen Produktionen abhebt.

Janet braucht die Jacksons nicht mehr

All das wird verständlich, wenn man weiß, dass Janet Jackson zu Beginn der Neunziger immer noch unter den ständigen Vergleichen mit ihrem Bruder leidet. „Gewisse Leute denken immer noch, ich nutze nur meinen Nachnamen aus“, sagte sie 1993 bei USA Today. „Deswegen heißt dieses Album nur Janet, und deswegen habe ich noch nie einen meiner Brüder gefragt, für mich Musik zu schreiben oder zu produzieren.“

Und warum auch? Sie braucht die Jacksons nicht. Sie heißt einfach Janet, wie vor ihr Madonna, Bono, Elvis oder Prince. Da passt ein Album, das ihre eigene Entwicklung nachzeichnet, das die Liebe zu sich selbst und zu ihren Schwestern untersucht und Frieden schließt mit der Frau, die sie geworden ist. So wurde Janet 1993 auch aufgefasst: als bewusster Bruch mit der von toxischer Männlichkeit dominierten Familie, als Freischwimmen, als Akt des Empowerment.

Oben ohne auf dem Cover

Der funktioniert natürlich deutlich besser, wenn er erfolgreich ist. Und das ist Janet: Es ist das erste Album einer Frau an der Spitze der US-Charts und fährt die erfolgreichste erste Woche einer Künstlerin aller Zeiten ein. Weltweit geht Jackson rund 14 Millionen Mal über die Ladentische. Und macht Janet Jackson auch im Rest der Welt zum Superstar. Aus dem Vorbild für Teens in Amerika ist ein weltweites Sexsymbol geworden, das selbstbewusst und selbstbestimmt mit ihrem Körper umgeht und für eine neue sexuelle Revolution einsteht. Zeigt sich ja schon am ikonischen Coverfoto, das Janet Jackson oben ohne zeigt, die Brüste verborgen von den Händen ihres damaligen Ehemannes René Elizondo Jr.

Erst ein Rekord-Deal, dann ein wegweisendes Album: Janet Jackson segelt durch die Neunziger wie ein Wirbelwind aus Musik, Style und Erotik, eine Queen Of Pop, mit der außer Madonna und Whitney Houston damals niemand mithalten kann. Sie ist ganz oben. Aber nicht lang: Ein Nervenzusammenbruch wirft sie in ein tiefes Tal, aus dem sie sich erst mit ihrem nächsten Album The Velvet Rope (1997) befreien kann. Davor handelt sie mit Virgin mal so eben den nächsten Rekord-Deal aus: Diesmal gibt es 80 Millionen US-Dollar für sie. Am Ende überflügelt sie ihren Bruder also doch noch.

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