Am Wochenende hat JJ den ESC-Sieg nach Österreich geholt. Aber wer ist eigentlich der queere Künstler hinter dem Siegersong Wasted Love? Ein Porträt.
„Fetzengaudi“. So beschreibt Johannes Pietsch, kurz JJ, seinen Triumph beim Eurovision Song Contest 2025. Klar, das passt, JJ kommt immerhin aus Wien, da drückt man sich nun mal so aus. Nicht wenige dürften sich nach dem Wochenende aber gefragt haben, wer das denn jetzt eigentlich ist. Außerhalb von Österreich dürfte JJ zumindest den wenigsten ein Begriff sein. Bis jetzt: Mit seinem originellen Siegerbeitrag Wasted Love ist der Wiener jetzt natürlich in ganz Europa in aller Munde.
JJ - Jugend zwischen Dubai und Wien
Höchste Zeit, ihn mal kennenzulernen. JJ wird 2001 in Wien geboren. Dort bleibt er aber nicht lang: Er wächst in Dubai auf, wo er die Deutsche Internationale Schule Dubai besuchte. Neben Deutsch spricht er Englisch, Französisch und Tagalog, die am weitesten verbreitete Sprache der Philippinen. Musik spielt immer schon eine Rolle in seinem Leben: Jedes Wochenende veranstalten seine Eltern zu Hause Karaoke-Partys. Dazu schaut er sich YouTube-Videos großer Operndiven wie Maria Callas und Monserrat Caballé an - und ahmt diese nach. 2016 kehrt die Familie nach Österreich zurück, wo JJ die Schule abschließt und danach ein Musikstudium an der angesehenen Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt studiert – dem Epizentrum der Wiener Klassik. Dort lässt er sich zum Countertenor ausbilden, also zu einem klassischen Sänger mit einer auffällig hohen, ätherischen Stimme.
Und diese Stimme, die bleibt nicht lang unbemerkt: 2020 nimmt er an der Gesangs-Castingshow The Voice UK teil. Allerdings nur, weil er die Teilnahmefrist für The Voice Of Germany versäumt. Irgendwie sehr sympathisch. Er kommt weit in der Show, auch beim artverwandten Format Starmania gelangt er bis in die erste Finalshow. Ziemlich überraschend wird er dann 2025 plötzlich österreichischer Vertreter beim ESC – ohne auch nur einen einzigen Song veröffentlicht zu haben!
„Es überrascht die Leute, dass ein Mann so hoch singen kann“
Ist auch nicht nötig: Allein mit Wasted Love schreibt JJ Geschichte. Als erster Halbphilippiner, der in fast 70 Jahren Geschichte diesen Wettbewerb gewinnen konnte. Und als Sänger von Weltformat, der unglaubliche Höhen erreicht. „Es überrascht die Leute, dass ein Mann so hoch singen kann“, so sagte JJ im Vorfeld der Veranstaltung. Doch am Ende war es mehr als der Überraschungseffekt: Der Song steigert sich von einer dramatischen Streicher-Ballade in ein wummerndes Techno-Crescendo. Hat man in der ESC-Geschichte so auch noch nicht erlebt.
„Das ist verrückt“, sagt er nach seinem Sieg. Sein Triumph liege jenseits seiner „wildesten Träume“. Er ist nicht der Einzige, der überrascht ist: Buchmacher*innen und Expert*innen hatten die Spaßgruppe KAJ aus Schweden als ESC-Sieger vorhergesagt. Die dramatische Inszenierung bringt am Ende dann aber den dritten Sieg für Österreich hervor. „Es ist eine große Ehre für mich, Österreich in Basel vertreten zu dürfen. Mein Herz schlägt für die große Show – und da gibt es nichts Größeres als den Eurovision Song Contest. Ich freue mich sehr über das Vertrauen, das in mich gesetzt wird. In den nächsten Wochen werden wir hart daran arbeiten, im Mai einen unvergesslichen Auftritt auf die Bühne zu bringen“, so sagte er nach seiner Nominierung. Und erfüllte dieses Versprechen auf ziemlich spektakuläre Weise.
2026 will er den Eurovision Song Contest dann gemeinsam mit Conchita Wurst in Wien veranstalten. Da darf man sich gewiss auf etwas ganz Besonderes gefasst machen.