
Von der Leinwand auf den Plattenteller: So macht CAM Sugar italienische und französische Soundtracks unsterblich
popkultur17.03.25
La dolce vita, Horror-Schocker und knallharte Cowboys: Das italienische Kino hat für jeden Geschmack etwas zu bieten. Doch was wäre es ohne seine einzigartige Filmmusik? Mehr als 2.000 italienische und französische Soundtracks sind im Katalog der Plattenfirma CAM Sugar zu finden. Ein Label-Porträt.
Es ist der vielleicht erste Film Italiens: Ende des 19. Jahrhunderts entsteht im Garten des Vatikans eine kaum zweiminütige Kamera-Aufnahme von Papst Leo XIII., die den Geistlichen unter anderem beim Segnen zeigt, begleitet von seiner Gefolgschaft. Die italienische Filmindustrie für ein breiteres Publikum entwickelt sich ab 1903, zunächst in Form von Historienfilmen über die Eroberung Roms und die letzten Tage der Stadt Pompeji. Es folgen der Abenteuerfilm, Streifen über soziale Themen, Weltkriegspropaganda und den italienischen Neoliberalismus. Ende der Fünfziger beginnt das goldene Zeitalter des italienischen Kinos, zumindest was Unterhaltungsfilme betrifft. Es ist die Zeit, in der auch die Plattenfirma CAM entsteht (seit 2011: CAM Sugar).
CAM Sugar: Klassiker und Geheimtipps
Gegründet 1959 in Rom, entwickelt sich CAM (kurz für: Creazioni Artistiche Musicali, also „künstlerische musikalische Kreationen“) schnell zu einer Top-Adresse für italienische Soundtracks. Da wären zum Beispiel die Werke von Piero Piccioni, der im Lauf seiner Karriere Filmmusik für mehr als 170 Produktionen schreibt und für „Piccioni’s touch“ bekannt ist, womit seine Einflüsse aus der südamerikanischen Musik gemeint sind. Stelvio Cipriani beginnt seine Laufbahn als Pianist auf Kreuzfahrten. Später komponiert er einen der berühmtesten italienischen Film-Soundtracks aller Zeiten, und zwar für Anonimo veneziano (Des Lebens Herrlichkeit) (1970). Armando Trovajoli macht sich währenddessen vor allem dadurch einen Namen, dass er italienische Musik mit damals angesagten Trends mischt.
CAM Sugar für Zuhause:
Auch französische Filmmusik gehört zum Programm von CAM Sugar. Da wären zum Beispiel die Werke von François de Roubaix, aus dessen Feder der Soundtrack für Le Samouraï (Der eiskalte Engel) (1967) stammt. Philippe Sarde komponiert bis heute die Musik für mehr als 250 Filme, darunter auch Werke von Hollywood-Legende Roman Polanski. Etwas kurios mutet die Diskografie des italienischen Komponisten Nicola Piovai an, denn er schreibt nicht nur die Musik für den Erfolgsfilm Das Leben ist schön (1997), sondern auch für die Das Sams-Realverfilmungen von 2001 bis 2012 sowie für Der Räuber Hotzenplotz (2006). (Diese sind nicht bei CAM Sugar erschienen, aber witzig ist es trotzdem.)
Der wohl bekannteste CAM-Komponist dürfte Ennio Morricone sein, den Film-Fans vor allem für seine Soundtracks zu Für eine Handvoll Dollar (1964), Zwei glorreiche Halunken (1966), Spiel mir das Lied vom Tod (1968) und The Hateful Eight (2015) kennen. Im CAM-Katalog sind allerdings vor allem zahlreiche Werke zu finden, die im Schatten seiner berühmtesten Großtaten untergehen. Da wäre zum Beispiel die Musik für die Dokumentation I malomondo (1964) mit Unterhaltungs-Legende Adriano Celentano, in der es um Jugendliche während des Wirtschaftsbooms nach dem Zweiten Weltkrieg geht. Oder der Soundtrack zu Il bandito dagli occhi azzurri (Der Bandit mit den schwarz-blauen Augen) (1980).
CAM Sugar im 21. Jahrhundert
Besonders spannend ist, dass zwar etliche CAM-Veröffentlichungen erhältlich sind oder in den großen Streaming-Diensten zur Verfügung stehen. Doch laut Angaben des Labels ist das nur die Spitze des Eisbergs. Bei den zugänglichen Werken soll es sich um gerade einmal 30 Prozent dessen handeln, was in den Masterband-Regalen der Plattenschmiede zu finden ist. Viele Soundtracks seien bisher bloß in den Filmen zu hören, aber nicht veröffentlicht worden. Es dürfte also auch in Zukunft spannend bleiben, welche Schätzchen das CAM-Sugar-Team noch entstaubt und für die Öffentlichkeit zugänglich macht. Außerdem kommen ständig neue Soundtracks dazu. Denn die Geschichte des italienischen und französischen Films ist noch lange nicht zu Ende erzählt.