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Foto: JYP Entertainment/Penske Media via Getty Images

Die Stray Kids sind live so gut wie BTS erst wieder werden müssen

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Unser Autor war beim Tourstopp der Stray Kids in Frankfurt, wo sie am 15. Juli im Rahmen ihrer „dominATE“ Welttournee spielten. Nach dreieinhalb Stunden perfekter Unterhaltung und viel Publikumsnähe steht für ihn fest: Es kommt nicht von ungefähr, dass Bang Chan, Lee Know, Changbin, Hyunjin, Han, Felix, Seungmin und I.N. in den letzten Jahren die erfolgreichste aktive K-Pop-Boyband waren – und BTS durchaus das Wasser reichen konnten.

Keine Panik, hier werden nicht die Fandoms gegeneinander ausgespielt

OK, der Titel dieses Artikels klingt ein wenig, als wären wir auf ARMY-Ragebait aus, um Clicks zu sammeln. Aber hear us out: Es ist doch nun mal so, dass BTS in den letzten Jahren zwangsläufig auf Bandpause waren und viele von ihnen solo überzeugt haben. Looking at you, J-Hope #hobipalooza! Die Position der K-Pop-Boyband, die auf höchstem Level performt, auf der ganzen Welt abräumt und sogar den ein oder anderen Mainstream-Pop-Fan abholt, war also vakant. Und wurde von den acht Stray Kids Bang Chan, Lee Know, Changbin, Hyunjin, Han, Felix, Seungmin und I.N. souverän besetzt. Was ja eben auch bedeutet: Die K-Pop-Welt wird spannender, wenn bald wieder beide Acts Stadien auf der ganzen Welt innerhalb von Minuten ausverkaufen und bespielen werden. Darum geht es uns – und nicht darum, die beiden Fandoms ARMY und STAYS gegeneinander auszuspielen. 

Erste Deutschlandshow seit 2019

Die Show der Stray Kids am Mittwoch im Stadion von Eintracht Frankfurt – das aus Geldgründen den fürchterlichen Namen Deutsche Bank Park tragen muss – war jedenfalls perfektes Entertainment auf Langstrecke und das Erlebnis wurde nur durch den breiigen Sound ein wenig geschmälert, der wohl aus der Tatsache resultierte, dass man das Dach des Stadions geschlossen hatte. Um Punkt halb acht ging es los – und dann durch bis 23 Uhr. Es war der erste Deutschlandstopp der acht jungen Männer seit 2019, wenn wir richtig gerechnet haben. In den Jahren nach der Pandemie konnte man die Stray Kids in Europa aber zum Beispiel 2023 auf dem Lollapalooza Paris sehen und 2024 mit NMIXX im Vorprogramm im Rahmen der iDays-Open-Air-Konzertreihe in Mailand. Beide Shows waren allerdings Festival-Sets, was bedeutet, dass die Stray Kids ein wenig kürzer spielten und in Sachen Bühnengestaltung limitiert waren. Auch die Songversionen, allesamt mit ihrer Liveband performt, waren ein wenig mehr auf Rock und Rap getrimmt als sonst. 

In Frankfurt landeten die Stray Kids und ihr Team nun mit dem vollen Spielzeugkasten der „dominATE“-Welttournee. Was bedeutet: bühnenfüllende LED-Screens; krasse Visuals, die manchmal auf Marvel-Niveau waren; einen eher nach Death Metal denn nach K-Pop aussehenden, riesigen Schriftzug über der Bühne; allerhand Konfetti und Pyro; rund 25 Tänzer:innen; einen aufblasbaren Bühnen-„Giant“ beim Song gleichen Namens; ihre Cartoon-Maskottchen, die Skzoos, als große Luftballon-Köpfe; mobile Bühnen, auf denen sie im Zugabenteil einmal durch den gesamten Innenraum des Stadions fuhren; und last but not least ein Bühnenaufbau mit einem spannenden, T-förmigen Steg, der ihnen immer wieder ermöglichte, inmitten der Fans zu performen. 

Eine Energie, die ebenso authentisch wie mitreißend wirkte

Die Live-Show hatte dann eine Energie, die sie von vielen anderen Bands im Genre abhebt. Die Stray Kids schenkten uns zwar die iconic Dance Moves zu Songs wie S-Class oder Thunderous, die wir alle lieben, aber sie brachen die Choreo-Formationen immer wieder auf, um mehr Luft in ihren Rap und ihren Gesang pumpen zu können. Vor allem diese freieren Momente funktionieren bei ihnen besonders gut, weil sie wirklich on fire sind und wirken, als liebten sie das, was sie da tun. Das mag selbstverständlich klingen – aber wer wie ich schon einige K-Pop-Konzerte gesehen hat, weiß eben auch, dass das nicht selbstverständlich ist. Manche Bands setzen zu sehr auf die fixen Choreografien, einigen merkt man an, dass sie auf dem Zahnfleisch gehen und ihre Produktionsfirma eine Welttournee mal wieder zu hart durchgetaktet hat. 

Bei den Stray Kids ist das Gegenteil der Fall: Sie wirkten frisch, motiviert und ausgeruht und wurden schon in den Tagen zuvor neugierig und entspannt in Frankfurt gesichtet, was sie dann sogar mit dem Publikum teilten. Changbin – King des Dwaekki Gyms (kleiner Insider für die STAYS) – grüßte seine in Frankfurt lebende Tante von der Bühne und sagte, er hoffe, sie sei stolz auf ihn. Und Hyunjin erzählte, er habe in Frankfurt sein erstes Altbier getrunken. Fazit: „That was something else.“

Stray Kids für Zuhause:

Ein bunter Ritt durch (fast) alle Hits

Musikalisch lieferten die Stray Kids alles, was wir und alle andere hören wollten: einen Auftakt mit MOUNTAINS und dem Killer-Song Thunderous, die Riesen-Singles Back Door und Chk Chk Boom ebenfalls im ersten Viertel, ebenso wie der Fan-Favorit DOMINO und das extrem erfolgreiche God’s Menu – immer noch unser Go-To-Track, wenn wir die Vorurteile gegenüber K-Pop bei einigen Leuten entkräften möchten. Der Song hat noch jeden gekriegt – egal ob Rock-, Rap- oder Indie-Fan. Ein Highlight waren dann die Duo-Stages, in denen jeweils zwei Idols einen gemeinsamen Song performten. Den Anfang machten Han und Felix mit Truman, was die Messlatte für alle Nachfolgenden schon sehr hoch legte. Changbin und I.N. machten bei ihrem Testosteron-Schieber Burnin‘ Tires ordentlich Quatsch und rannten wie irre über die Bühne. Nach Bang Chans und Hyunjins ESCAPE, blinkten dann beim balladesken Cinema von Lee Know und Seungmin die ersten Handy-Lichter. 

Später folgten noch LALALA, MEGAVERSE und MANIAC, die mit der Stray-Kids-Liveband im Rücken ähnlich druckvoll und nach Crossover klingen wie Lieder des ikonischen Judgement Night-Soundtracks aus den 90ern. Für den ersten Zugabenteil kamen die Stray Kids dann noch näher ran: Auf zwei mobilen Bühnen fuhren sie einmal am Rund des Stadioninnenraums entlang und zogen ihr acht Skzoos als riesige Luftballons hinter sich her. Eine herrlich bunte Party. Vor dem zweiten Zugabenteil nahm sich die Band dann noch mal Zeit, den Fankontakt zu suchen. Sie schauten auf der Bühne Fan-Videos, sprachen augenscheinlich wirklich von der Lautstärke und dem Enthusiasmus der STAYs gerührt über den Abend, streuten ein paar Deutschland-Details ein und blödelten miteinander rum. 

Ein Vibe, wie ein Jungs-Gang, die nicht nur beruflich miteinander abhängt

Hier mussten wir mal wieder feststellen: Es gibt gar nicht so viele Bands, die einen dermaßen vertrauten, glaubhaften und witzigen Vibe untereinander haben. Was vielleicht in ihrem Fall auch daran liegt, dass sie für K-Pop-Verhältnisse sehr eigenständige Idols sind und ihre Songs zu großen Teilen mitschreiben und -produzieren. Und sie haben mit ihrem Bandleader Bangchan einen Typen, der eine erstaunliche Form von Männlichkeit auf die Bühne bringt: schon gut trainiert, „machend“ und ein wenig testosteron-getrieben, aber in seiner Art und in seinen Ansagen wahnsinnig ausgleichend und charming. So fragte er zum Beispiel auch ins Publikum, wer denn als Elternteil hier sei und bedankte sich dann wie der Anwärter zum Schwiegersohn des Jahres bei ihnen: „Danke, dass ihr es unseren wundervollen, jungen STAYS möglich gemacht habe, dieses Konzert besuchen zu können.“ 

Immer überzeugend: die K-Pop-Fans

Überhaupt: das Publikum. Wer noch nie ein K-Pop-Konzert besucht hat, sollte das unbedingt mal tun. Ja, die Aufregung im Vorfeld ist immer groß und schießt mal über das Ziel hinaus, und bei manchen geht die Euphorie mal durch, aber im Großen und Ganzen ist die Crowd dermaßen nett, bunt, divers und on fire, dass da nur wenige Pop-Konzerte mithalten können. Das sah man auch bei der Dance Challenge, bei der die Kamera im Publikum Fans suchte, die dann eine von der Band vorgegebene Lied-Choreo nachtanzen sollten. Da wurde dermaßen leidenschaftlich geflext und laut gejubelt, dass dieser besondere Zusammenhalt mehr als greifbar war. Auch die Eltern oder Großeltern, die ihre Kids supporten, sind oft cute: Vor uns stand zum Beispiel ein älterer Herr, der ein extra gedrucktes T-Shirt trug. Darauf stand auf Englisch: „Ich bin nur wegen meiner Enkelin hier (und wegen Chan).“ In Paris sahen wir im letzten Jahr einen Metal-Dad, der mit Sicherheitsnadeln einen neuen Aufnäher auf den Rücken seiner Kutte befestigt hatte. Darauf stand: „Proud K-Pop dad (but Felix is really hot)“. 

Foto: Daniel Koch

Nach dreieinhalb Stunden verabschiedeten sich die Stray Kids, erschöpft und euphorisch, auf alle denkbaren Weisen. Manche warfen den Kameras Küsse zu, andere sprangen in den Bühnengraben, klatschten Hände ab, crashten Selfies und gaben ihren Securitys eine harte Zeit damit. Dann war es aber wirklich vorbei – und wer sich umsah, fand vor allem begeisterte, lächelnde, einige vor Glück zerweinte Gesichter. Die Stimmung im Netz ist bis heute ähnlich einhellig: All die Warterei, der brutale Ticketkampf, das lange Anstehen – das alles war es wert, wenn man es für eine Band tut, die dermaßen für ihre Fans aufdreht. Das hatten wir ähnlich intensiv bei einer koreanischen Boygroup bisher eben nur bei BTS erlebt. Deshalb, liebe ARMY: No hate für die Headline … Wir glauben fest daran, dass BTS bei ihrem Comeback das nicht anders machen werden. 

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