
Eine Lehrstunde in Schwarzer Kultur: „To Pimp A Butterfly“ von Kendrick Lamar wird 10
popkultur14.03.25
Aus To Pimp A Butterfly von Kendrick Lamar hätte der Hip-Hop-Star locker drei Alben zaubern können. Doch er entschied sich dazu, all seine Inspiration in eine einzige Platte zu stecken. Das beeindruckende Ergebnis ist nicht weniger als eines der vielschichtigsten und tiefgründigsten Genre-Werke aller Zeiten.
Februar 2014. Kendrick Lamar ist der neue Stern am Hip-Hop-Himmel; mit seinem zweiten Album Good Kid, M.A.A.D City gelang ihm Ende 2012 der große Durchbruch. Darauf sind Tracks über Lamars Aufwachsen in Compton zu hören, einem berüchtigt sozialschwachen Vorort von Los Angeles, aus dem auch Rap-Legenden wie Dr. Dre, Snoop Dogg und N.W.A. stammen. Für sein drittes Album hat der Rapper bereits genaue Vorstellungen und etliche Aufnahmen im Kasten. Allzu lange soll es nicht mehr dauern, bis die Platte erscheint. Doch dann kommt alles anders als gedacht: Lamar besucht Südafrika – und fängt mit der Arbeit noch einmal ganz von vorne an.
To Pimp A Butterfly: Ein Querschnitt durch die Schwarze Kultur
Als Hort Schwarzer Geschichte hinterlässt Südafrika tiefe Spuren bei Kendrick Lamar. Er besucht die ehemalige Gefängniszelle des politischen Aktivisten Nelson Mandela, der sich unter gewaltigen Entbehrungen für das Ende der Apartheid in Südafrika einsetzte. Auch die gesellschaftliche Vielfalt und die Natur des Landes beeindrucken den jungen Rapper. „Es ist wohl eins der schwersten Dinge“, erklärt Lamar in einem Interview, „ein Konzept zu entwickeln, mit dem man Menschen die Schönheit eines Ortes erklärt, während sie in den Ghettos von Compton leben.“ Doch genau das versucht Lamar auf To Pimp A Butterfly – und viel mehr.
In den Texten auf To Pimp A Butterfly geht der Musiker auf soziale Missstände ein, denn noch heute gibt es (nicht nur) in den USA Rassismus, Polizeigewalt gegenüber Schwarzen Menschen und Ungleichbehandlung, unter der besonders Schwarze Frauen leiden. „Es gibt eine Trennung zwischen weißer und dunkler Haut“, erklärt Lamar. „Das liegt in unserer Natur. Aber wir sind alle Schwarz.“ In musikalischer Hinsicht ist das dritte Album des Rappers ein Querschnitt durch die Schwarze Kultur. Jazz, Soul, Funk: All das ist auf To Pimp A Butterfly zu hören, bereichert Lamars Conscious Rap um spannende Facetten und feiert den enormen kulturellen Beitrag der afroamerikanischen Community.
Inspirieren lässt sich Lamar damals unter anderem von Jazz-Koryphäe Miles Davis und von der progressiven Funk-Truppe Parliament-Funkadelic, deren Mastermind George Clinton in den Liner Notes von To Pimp A Butterfly auch als Songwriter auftaucht. Der Stil-Mix gelingt und damit wiederum beeinflusst Lamar David Bowie, der gerade an seinem letzten Album Blackstar arbeitet, als To Pimp A Butterfly erscheint. „Wir fanden es toll, dass Kendrick so aufgeschlossen war und kein reines Hip-Hop-Album aufgenommen hat“, erinnert sich Bowies Produzent Tony Visconti. „Er hat alles darauf gepackt, und genau das wollten wir auch machen.“
Schwarze Menschen und der Erfolg
Einen alten Bekannten werden Hip-Hop-Fans gleich im To-Pimp-A-Butterfly-Opener Wesley’s Theory erkennen, denn wenn so viel Westcoast-G-Funk im Spiel ist, hat meistens Produzentenlegende Dr. Dre seine Finger am Mischpult. Im Text des Songs geht es um Schauspieler Wesley Snipes (Blade), der im April 2008 wegen Steuerhinterziehung zu drei Jahren Haft verurteilt wurde. „Niemand bringt armen Schwarzen Männern bei, wie man mit Geld oder Berühmtheit umgeht“, erklärt Lamar dazu. „Wenn sie erfolgreich werden, kann ihnen das den Boden unter den Füßen wegziehen.“ Ein Phänomen, das er seit seinem zweiten Album auch selbst kennen dürfte.
Mit To Pimp A Butterfly landet Lamar zahlreiche Erfolge. Nicht nur, dass die Platte ohne Umschweife auf Platz eins der US-amerikanischen Charts landet. Nein, der Rapper kassiert auch endlich den Grammy für das „Beste Rap-Album“. Ein Jahr zuvor musste sich die Grammy-Jury reichlich Kritik gefallen lassen, weil Lamar für Good Kid, M.A.A.D City zwar häufig nominiert worden war, bei den Preisverleihungen aber leer ausging. Wichtig sind diese Leistungen auf dem Papier nur am Rande. Denn was Lamar mit seinem dritten Album To Pimp A Butterfly vor allem gelingt, ist ein inhaltsdichtes, intelligentes, vielseitiges und kreatives Hip-Hop-Album für die Ewigkeit.