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Foto: Kristina Wolf

„Ich liebe dich für immer“: Blumengarten und ihr nostalgisches Debütalbum

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Nach zwei Jahren Hype haben Blumengarten endlich ihr erstes Full-Length-Album draußen. Dieses zeigt ein eigenwillig emotionales Duo, das sich musikalisch ausweitet und mit der Vergänglichkeit des Lebens auseinandersetzt. Die beiden haben uns zur Veröffentlichung einige Fragen dazu beantwortet.

Ich liebe dich für immer. In diesem Titel stecken: Gefühle und Zeitlosigkeit – und so kann man auch allgemein das erste Blumengarten-Album zusammenfassen. Sänger Rayan Djima erklärt, der textliche Fokus sei „eine Aufarbeitung der Vergangenheit und die Realisation, dass die Zeit für niemanden hält. Dass, egal wieviel Geld man verdient oder wie bekannt man wird, sie einfach weitergeht, für uns alle. Damit klarzukommen, darum geht es auf dem Album. Und ich muss sagen, ich bin sehr stolz darauf, weil ich Writing-mäßig keine Hilfe hatte. Das hat es nicht leichter gemacht, aber es ist sehr pure, von Herzen.“

Erinnerungen an den Sommer

Von Herzen ist die Musik von Blumengarten ohnehin. Es liegt etwas in Djimas Stimme, das sowohl Verletzlichkeit als auch Lebensfreude unheimlich aufrichtig transportiert. Dazu sind die indie-poppigen Instrumentals von Sammy Eickmann warm, harmonisch und stecken voller Emotionen und Kontraste. Daher sind Blumengarten Meister darin, einen Vibe zu kreieren. Ein Paradebeispiel ist die titelgebende Lead-Single: Ich liebe dich für immer reißt direkt durch einen treibenden House-Drumbeat mit und bleibt durch das intensive Nostalgie-Gefühl im Kopf.

Das Blumengarten-Debütalbum kommt rechtzeitig zum Frühling. Es ist Musik, die dem Sommer gedanklich hinterherhängt und ihn gleichzeitig musikalisch einläutet. Darauf angesprochen, meint Djima: „Ich glaube, das war auch eines der Ziele, dass es irgendwie nach Sommer klingt.“ Dabei spiele auch die Entstehung des Albums eine Rolle, erzählt er weiter: „Das ist über ein ganzes Jahr entstanden, ein großer Teil davon auch im Sommer. Wir waren auf einer Albumfahrt, die war sehr warm. In Frankreich waren wir mit unserer Band in einem schönen Häuschen und haben da viel vom Album konzeptioniert und geschrieben. Deswegen wird das schon aus dem Spirit geboren sein. Aber angefangen, das zu schreiben haben wir im Januar, da lag noch Schnee.“

Sammy Eickmann stimmt ihm zu und ergänzt: „Der erste Song war Erinnerung, und den haben wir der Eifel geschrieben. Da war es so grau und ich finde, Erinnerung klingt auf jeden Fall ein bisschen so.“ Es stimmt: Obwohl dieser Opener des Albums eine Ode an die Nostalgie ist, klingt er nicht nur nach der rosaroten Vergangenheitsbrille, sondern es schwingt auch eine niedergeschlagene Note mit. So wie Nostalgie eben ist: ein zweischneidiges Schwert. Eine Gast-Strophe von Sido bringt es auf den Punkt; er reflektiert darin Persönliches und erklärt: „So komisch wie das klingt, ich stehe nicht gern im Mittelpunkt.“

Illustre Gästeliste

Sido ist ein ziemlich hochkarätiges Feature – wie kam es dazu? Djima holt aus: „Wir wollten irgendwen haben, der schon ein bisschen länger im Game ist. Wir wollten diesen Kontrast zwischen jungen Rapper:innen und erfahrenen Veteranen haben und uns ist beim besten Willen niemand eingefallen, zu dem wir einen Draht haben. Dann waren wir bei den YouTube-Awards eingeladen und da traf ich Sido. Der stellte sich vor, war superkorrekt und sagte sofort, er würde was machen. Das war so ein Dream-Szenario, das sich da erschlossen hatte, weil dann haben wir ihm den Song halt ECHT geschickt und er hat es halt WIRKLICH gemacht.“

Ansonsten sind einige Zeitgenoss:innen Blumengartens zu Gast, etwa Symba oder Apsilon. Ein besonderer Gast steckt jedoch in Wer wäre ich dann jetzt: In den letzten Sekunden des Songs hört man Djimas Mutter. Sie redet darüber, wie stolz sie auf ihren Sohn ist und wie sehr sie ihn liebt.

„Ihr erstes Feature!“, sagt Djima schmunzelnd. „Die Aufnahme stammt aus unserem Whatsapp-Chat. Meine Mum schickt mir immer wieder so süße Nachrichten, wenn wir ein neues Video oder einen Song rausbringen, und da habe ich ohne ihre Erlaubnis etwas gesamplet.“ Davon wisse sie immer noch nichts und das sei auch besser so: „Ich kenne sie, sie wird das verkopfen und sagen: ‚Lass mich das nochmal aufnehmen!‘“ Eine emotionale Überraschung am Release-Tag also.

Neue Blumen wachsen

Als Debütalbum klingt Ich liebe dich für immer nach Blumengarten, wie wir sie mittlerweile kennengelernt haben – aber größer, voller, noch repräsentativer für ihre künstlerische Vision. Drumbeats aus Hip-Hop oder House treffen auf analoge Synths, Orgel, Mellotron-Flöten und Akustikgitarren. Es wird noch mehr mit Djimas Stimme gespielt und er darf sich in Autotune-Chören austoben. Die englische Hook im Song Sonne im August klingt dadurch ziemlich nach Hyperpop. Daheim wiederum wird von einem Country-Rhythmus getragen und Träum von Dir ist ihr bisher rockigster Moment.

Blumengarten im Circle Store:

Sie seien aber nicht bewusst an neue Genres herangegangen, meint Eickmann: „Es gibt safe Hyperpop- und Rock-Einflüsse. Aber bei Sonne im August, da war auf jeden Fall Brockhampton die Inspiration. Bilderbuch war auch eine große Inspiration, die kann man vielleicht als Rockband zählen. Aber ich würde sagen, im entferntesten Sinne finden die alle bei uns im Kosmos statt. Wir hören nicht komplett absurde Musik, sondern wir picken uns bei unseren Lieblingsartists die verrücktesten Ideen raus und lassen uns davon inspirieren.“

Ebenfalls am Beispiel von Sonne im August ergänzt Djima: „Das ist funny, weil wir die ganze Zeit sagen, das sei das erste Mal, dass ich eine Hook auf Englisch singe oder so, aber gleichzeitig stimmt das nicht. Ich finde eher, dass das Album eine Weiterentwicklung unseres Sounds ist, den wir die ganzen letzten zwei Jahre hatten. Es ist einfach auf einem anderen Level. Die erste englische Hook, die ich gesungen hab, war Life Goes On von der zweiten EP. Deswegen stimmt das gar nicht, dass das jetzt ein neues Phänomen ist. Das ist nur anders umgesetzt.“

Duo versus Band

Die Instrumentals entstanden anders als zuvor, da das Duo bei diesem Album ihre Live-Band Teil des Writings sein ließen. „Uns war es wichtig, dass man dieses Band-Feeling überträgt. Wir hatten Anfang letzten Jahres einen Großteil unserer Band schon auf der ersten Tour. Da haben wir gemerkt, was uns das für eine Power beschert hat. Dann war der Gedanke ziemlich fix, dass wir mal auch probieren wollten, mit denen was zu produzieren, weil die alle so begabt sind.“

So entstand auch ihr bisher längster Track: Dunkelschwarz beendet das Album in über sieben Minuten. Aus einer ruhigen ersten Hälfte baut sich langsam etwas auf, flaut dann ohne Explosion ab und schlussendlich gibt es doch noch einen majestätischen Höhepunkt mitsamt Streichern. Djima erzählt: „Die ganze Band saß im Kreis. Wir sind irgendwann auf diesen drei Akkorden gelandet und ich habe direkt etwas gespürt. Dann sind wir einfach darauf geblieben und es wurde wirklich ein 45-minütiger Jam. Der Song hätte auch gut und gerne 20 Minuten lang sein können, denn es kam so viel aus mir rausgesprudelt in dem Moment. Und das konnte nur passieren, weil die Band das so gespielt hat, wie sie es in dem Moment gespielt hat.“

Schon auserzählt?

Ich liebe dich für immer ist ein gelungenes, umfassendes Abbild des Duos geworden. Zwar ähneln sich einige der Akkordfolgen ziemlich, wodurch das Album ab der zweiten Hälfte etwas verwischt, dennoch können Blumengarten stolz sein. Ihr Debüt zeigt ein Duo, das sich seinen eigenen Platz in der deutschen Musiklandschaft ausgegraben hat und diesen nun bunt schmückt. Eickmann zieht das Fazit: „Auf dem Album haben wir viel fertig erzählt. In einem Song wie Dunkelschwarz wird so viel gesagt und ausprobiert. Wir können jetzt keinen zweiten Song machen, der nochmal so ist. Man muss neue Geschichten erleben und schreiben – aber erstmal bisschen chillen.“

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