Featured Image
Foto: Lewis Evans

Inhaler im Interview: „Wie das Dröhnen eines Düsenjets“

Mit Open Wide veröffentlichen die irischen Rocker von Inhaler ihr drittes Studioalbum – und zementieren zwei Jahre nach dem letzten Album Cuts & Bruises ihren Status als eine der aufregendsten jungen Rockbands.

Diesmal lief’s entspannt. Während die Band um Frontmann Elijah Hewson beim letzten Longplayer noch jede Menge Druck verspürte – sowohl Zeitdruck als auch den Druck, nachzulegen –, lief es bei Open Wide deutlich relaxter ab. Man hatte mehr Zeit für die Aufnahmen, Zeit und Lust zu experimentieren – und diese Experimentierfreude und Entspanntheit hört man der Platte auch an. Relaxt wirkt auch Frontmann Elijah Hewson, als wir uns zum Videointerview verabreden. Etwas später stößt auch Bassist Robert Keating dazu.

Eli, als wir uns das letzte Mal gesprochen haben, hast du mir vom Zeitdruck bei eurer letzten Platte Cuts & Bruises erzählt. Dieses Mal schien es, als hättet ihr mehr Freiraum.

Elijah Hewson: Da liegst du ganz richtig. Ich finde, wenn ich Songs schreibe – besonders die Texte –, dann brauche ich mindestens eine Woche, in der nichts anderes ansteht, einfach um mich ohne Druck entfalten zu können. Dieses Mal hatten wir etwa drei Monate, um in Ruhe zu schreiben, und das war unglaublich. Es hat so viel Spaß gemacht.

Ihr habt bisher alle zwei Jahre ein neues Album veröffentlicht. Wann habt ihr mit der Arbeit an diesem begonnen, und wie sah die Anfangsphase aus?

Elijah Hewson: Einige Songs haben ihre Ursprünge noch vor dem ersten Album – zumindest die musikalischen Ideen oder Demos. Die ersten wirklichen Durchbrüche hatten wir aber wohl im April letzten Jahres. Davor war es eher ein Schuss ins Dunkle; wir wussten noch nicht genau, wohin es gehen sollte.

Jetzt im Circle Store:

Was war der erste Song, an dem ihr gearbeitet habt?

Elijah Hewson: Das war Eddie In The Darkness. Es ist auch der erste Track auf dem Album. Es war der erste Song, an dem wir als Band wirklich zusammengearbeitet haben, weil wir damals am meisten von ihm begeistert waren.

Ein toller Opener, der sich atmosphärisch eher langsam aufbaut.

Elijah Hewson: Ja, er hat diesen dichten Sound, aber mit einer gewissen Leichtigkeit darüber. Der Kontrast zwischen ruhigen und lauten Parts hat uns immer gefallen – ein bisschen wie bei den Pixies. Ihre Dynamik, von leisen Strophen zu lauten Refrains, hat uns inspiriert.

Wie sieht euer kreativer Prozess aus? Trefft ihr euch in einem Raum und startet gemeinsam, oder baut ihr auf Ideen auf, die du schon länger hattest?

Elijah Hewson: Wir schreiben eigentlich permanent. Also sammeln wir immer Material und setzen uns dann zusammen, um zu schauen, was wir weiterentwickeln wollen. Dieses Mal hatten wir um die 40 Ideen, von denen es 13 auf das Album geschafft haben. Der Rest wird vielleicht später nochmal auftauchen.

Ihr habt Kid Harpoon als Produzenten gewählt. Wie kam das zustande und wie war die Zusammenarbeit mit ihm?

Elijah Hewson: Wir haben mit mehreren Produzenten gesprochen, aber mit ihm hatten wir die beste Verbindung. Ich hatte ihn eigentlich gar nicht als großen Gitarrenfan erwartet, weil er viel mit Pop-Künstler:innen wie Harry Styles oder Miley Cyrus arbeitet. Aber er liebt Rockmusik und hat ein unglaubliches Ohr für Sounds und Details.

Wie ausgearbeitet waren eure Ideen, als ihr mit ihm zusammengekommen seid?

Elijah Hewson: Manche mehr als andere. Ich hatte noch an den Texten gearbeitet, und er sagte gleich: „Die sind noch nicht fertig, geh und mach das richtig.“ Ich hatte gehofft, dass er vielleicht selbst ein paar Songs mitbringt, aber stattdessen hat er uns motiviert, sie selbst fertigzustellen. Das war ein guter Ansporn.

Ich habe gelesen, dass ihr vor den Aufnahmen viel Nick Cave und Techno gehört habt. Welche musikalischen Einflüsse hattet ihr für dieses Album?

Elijah Hewson: Ja, ich weiß gar nicht, wer das mit Nick Cave und Techno eigentlich behauptet hat (lacht).

Robert Keating: Das war eigentlich ich! Ich glaube, das kam in einem Gespräch über Spotify Wrapped auf. Wir hören generell nicht so viel andere Musik, wenn wir an einem Album arbeiten, aber ein paar Sachen fließen natürlich ein.

Elijah Hewson: Prince war ein großer Einfluss, und später im Studio haben wir auch viel über die Deftones gesprochen. Ich weiß, das würde man jetzt vielleicht nicht vermuten oder raushören, aber sie waren wegen ihrer Gitarrensounds und Vocals wichtig. Vor allem das Album White Pony haben wir so oft angehört! Wir wollten das erst noch stärker einfließen lassen, aber am Ende ist es eher eine dezente Anlehnung geworden.

Eines der Schlüsselstücke auf dem Album ist Billy (Yeah Yeah Yeah)...

Elijah Hewson: Es ist ein sehr poppiger Song, aber das gefällt uns. Es war einer der ersten Songs, die mit Kid Harpoon Form angenommen haben. Er brachte eine Maschine ins Studio, mit der er diese verrückten Arpeggiator-Sounds erzeugte, und das gab dem Song eine ganz neue Dimension.

Robert Keating: Eli schrieb den Song vor Urzeiten. Ich glaube, wir dachten anfangs immer, dass wir den Song vielleicht noch weiter ausarbeiten oder verändern würden. Aber dann haben wir ihn einfach alle richtig ins Herz geschlossen und schließlich ein ziemlich cooles Konzept rund um die Figur Eddie entwickelt. Wir lieben diesen Song und fanden, dass er eine tolle Möglichkeit war, das Album zu eröffnen – anstatt die Hörer:innen direkt mit voller Wucht zu überrollen. Es beginnt eher sanft, und genau das gefällt uns sehr.

Wenn ihr euer fertiges Album jetzt anhört, gibt es Dinge, die euch überraschen?

Elijah Hewson: Ja, ich bin erstaunt, wie freudig und optimistisch es klingt. Wir haben schon immer hymnische Musik gemacht, aber diese Fröhlichkeit ist etwas, das ich nicht erwartet hätte.

Ihr seid seit 2012 eine Band, aber euer erstes Album kam erst vor sechs Jahren raus. Wie weit entfernt fühlt sich eure Anfangszeit an?

Elijah Hewson: Es fühlt sich schon ziemlich weit weg an. Ich glaube, das Einzige, was uns wirklich mit diesen Alben verbindet, ist das Touren. Ich kann mir nicht vorstellen, ein Künstler zu sein, der nicht gerne live spielt – denn wenn wir keine Konzerte geben würden, würden wir einige unserer älteren Songs wahrscheinlich völlig vergessen und uns gar nicht mehr mit ihnen verbunden fühlen.

Zum Glück spielen wir regelmäßig Shows, und dadurch erleben wir auch ältere Songs immer wieder neu. Manche Titel lieben wir mal mehr, mal weniger, aber dann fragen wir uns: Wie können wir das Ganze ein bisschen anders gestalten? Vielleicht einen Drum- oder Gitarrenpart verändern, das Tempo anpassen – schneller oder langsamer spielen, um es für die Leute, die uns vielleicht schon zum zehnten Mal sehen, frisch zu halten.

Dafür sind wir definitiv dankbar. Denn ja, es ist eine ganze Weile her, und in diesen sechs Jahren ist wirklich viel passiert. Das kann manchmal auch überwältigend sein. Deshalb konzentrieren wir uns einfach auf den nächsten Tag, anstatt zu weit vorauszuplanen.

Neben großen Headliner-Shows habt ihr sowohl für Pearl Jam als auch Harry Styles als Support gespielt. Ich nehme an, das waren zwei verschiedene Welten?

Elijah Hewson: Die beiden Welten könnten nicht unterschiedlicher sein. Aber auf ihre eigene Art waren beide absolut großartig. Pearl Jam zu erleben war etwas ganz Besonderes, vor allem weil sie in den USA – und natürlich auch anderswo, aber besonders dort – eine echte Institution sind. Ihre Hingabe und Leidenschaft für die Musik über so viele Jahre hinweg war beeindruckend, und sie waren unglaublich professionell und freundlich zu uns.

Der Auftritt mit Harry Styles war hingegen etwas völlig anderes – das hat uns wirklich umgehauen. So etwas habe ich noch nie erlebt und werde es wahrscheinlich auch nie wieder erleben. Allein der Moment, als er die Bühne betrat – das Geräusch der Menge war ohrenbetäubend, wie das Dröhnen eines Düsenjets. Es war einfach surreal. Zwei völlig unterschiedliche Erlebnisse, aber ich würde jederzeit wieder zu beiden Shows gehen.

Weiter stöbern im Circle Mag: