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Foto: Universal Music

Interview mit The Last Dinner Party: „Wir wurden wieder zu 13-jährigen Mädchen“

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Wenn jemand ein turbulentes letztes Jahr hatte, dann The Last Dinner Party. Die englischen Newcomer wurde innerhalb kürzester Zeit vom Indie-Geheimtipp zur weltweiten Sensation. Im Vorfeld ihres mit riesiger Spannung erwarteten zweiten Albums From The Pyre konnten wir mit den Musikerinnen sprechen, die die Welt aus den Angeln gehoben haben.

Manchmal geht es ganz schnell. 2021 gründen sich The Last Dinner Party in London, 2023 sind sie bereits in ganz England Stars. Ohne ein Album veröffentlicht zu haben, eröffnen sie eine Mammutshow für die Rolling Stones im Hyde Park und sahnen einen Brit Award ab. Als 2024 dann das Debüt kommt, zeigt sich: Das war nur der Anfang. Prelude To Ecstasy löst einen weltweiten Hype um die fünf Indie-Musikerinnen aus, die mit ihrem Sound zwischen Siouxsie And The Banshees, St. Vincent und Fleetwood Mac eine neue Girl-Band-Ära in Großbritannien einläuten. Am 17. Oktober 2025 erscheint mit From The Pyre schon ihr zweites Album. Im Vorfeld hatten wir die Gelegenheit, mit Georgia Davies, Lizzie Mayland und Abigail Morris zu sprechen.

Euer letztes Jahr war verrückter als das der meisten anderen. Welches Highlight ist euch bei dieser wilden Reise am meisten in Erinnerung geblieben?

Lizzie Mayland: Vieles verschwimmt, aber wir haben auf einem Festival in Bilbao gespielt und waren vor den Arctic Monkeys dran. Danach sahen wir ihre Show seitlich von der Bühne – die Arctic Monkeys, die wir alle seit unserer Jugend gehört haben und die wir immer noch über alles lieben. Das war der beste Tag unseres Lebens. Um ehrlich zu sein, ich glaube, wir sind wieder zu 13-jährigen Mädchen geworden.

Abigail Morris: Oder unser erster Auftritt in Austin, Texas. Das war einer meiner Lieblingsauftritte. Wir sind gerade unseren Jetlag losgeworden und hatten dann unseren allerersten Auftritt in den USA. Alles lief prima, das Publikum war toll, aber dann gab es eine Unwetterwarnung und wir mussten von der Bühne runter. Mitten im Song Nothing Matters. Das war absolut filmreif und magisch.

Georgia Davies: Für mich war es unsere erste Australien-Tournee, weil ich von dort komme. Wir waren im Juli letzten Jahres in Australien, und es war einfach so surreal, zurückzukommen, aber eben nicht allein, sondern mit meinen neuen Girls. Verdammt seltsam. In Sydney war meine Familie da, meine Eltern, meine Cousins, alle meine Großeltern. Die Nachbarn kamen mit einem eigenen Bus. Es war bizarr!

Wie habt ihr den Weg zu eurem zweiten Album erlebt? Es ist ja inmitten dieses ganzen Wirbels um euch entstanden…

Georgia Davies: Es hat sich ganz natürlich angefühlt. Man könnte meinen, es wäre zu früh, um schon wieder ins Studio zu gehen und aufzunehmen, aber eigentlich war es genau die richtige Zeit dafür, weil wir ein paar verrückte Jahre hinter uns hatten. Also sagten wir uns: Okay, jetzt ist es Zeit, mit den Shows aufzuhören und Bilanz zu ziehen, endlich mal wieder zuhause zu sein, ein paar Monate lang zu schreiben und aufzunehmen. Entsprechend schnell ging es dann auch: Das Album war nach ein paar Wochen im Kasten.

Wart ihr gemeinsam im Studio oder hat jede für sich geschrieben?

Abigail Morris: Das ist unterschiedlich. Jeder Song ist anders, denn einige davon sind Songs, an denen wir während der Arbeit am ersten Album gemeinsam gearbeitet haben, die dann aber noch nicht fertig oder nicht richtig für das erste Album waren. Dann gab es aber eben einige, bei denen wir einfach so drauflos gemacht haben, zum Beispiel Raw Song, I Hold Your Anger und Disease Rifle. Die haben wir getrennt voneinander geschrieben.

The Last Dinner Party im Circle Store:

Eine erste Single gibt es ja schon, zudem habt ihr angekündigt, dass From The Pyre düsterer und roher wird. Was dürfen wir uns darunter vorstellen?

Abigail Morris: Es ist durchaus düster. Düster und wütend. Wir haben es hier mit schwierigen Emotionen wie Trauer, Wut und Ohnmacht zu tun, aber das alles nicht ohne Humor oder Ironie. Es spiegelt viel besser wider, wer wir als Menschen und Musikerinnen sind.

Was macht euch besonders wütend?

Georgia Davies: Oh, so viele Dinge. Es passieren so viele schreckliche Dinge auf der Welt, die man doch nicht einfach ignorieren kann. Wir reflektieren das alle sehr unterschiedlich, aber oft sind es dieselben Ungerechtigkeiten, die uns wütend machen.

Zeigt ja auch schon der Titel…

Abigail Morris: Eine Zeit lang dachte ich, das Album würde Inferno heißen. Wie der letzte Song darauf. Das passte irgendwie, weil alles so feurig klang. Wir blieben dann aber immer wieder beim Wort Pyre hängen, weil es in seiner archaischen Bedeutung so viel ausdrückt. Es erinnert uns an eine folkloristische, mythische Energie, für die das Album steht. Jeder Song erzählt eine andere Geschichte, doch das gesamte Album steht für eine Idee: Menschen, die aus dem Feuer kommen und ihre Geschichte erzählen – ob zerstörerisch oder reinigend. Ein bisschen also wie die Canterbury Tales. (lacht)

Wolltet ihr in Sachen Produktion diesmal etwas anders machen?

Lizzie Mayland: Wir wollten die Songs weniger üppig und opulent klingen zu lassen. Und eher etwas näher und roher. Das lag aber auch an unserem Produzenten Markus Dravs, der schon mit Wolf Alice, Björk oder Florence + The Machine gearbeitet hat.

Welche Ära der Musik haltet ihr für die beste?

Georgia Davies: Ich denke, Ende der Siebziger. Da gab es eine Schnittmenge vieler verschiedener Genres – die Stones und Bowie und Zeppelin und Sabbath, aber dann gab es auch noch die frühen Joy Division und Punk.

Abigail Morris: Ich würde gern Le Sacre du Printemps zum ersten Mal live sehen. Nach allem, was ich darüber gelesen habe, war es dasselbe wie bei den Sex Pistols und ihrem ersten Auftritt, als alle total ausgeflippt sind.

Lizzie Mayland: Ich bin da eher bei Georgia. Wobei auch Ende der Achtziger/Anfang der Neunziger unheimlich spannend war.

Letzte Frage: Welchen Ratschlag in Bezug auf eure Karriere habt ihr völlig ignoriert?

Abigail Morris: Sexualisiere dich nicht selbst. Ich habe mit 13 Jahren angefangen, Musik zu schreiben. In der Schule habe ich dann an allen Talentshows teilgenommen und in meiner kleinen Uniform Klavier gespielt. Einfach nur Klavier, Mann. Eine meiner Lehrerinnen hat mich in einem Brief dann dennoch streng zurechtgewiesen, weil ich offensichtlich über Dinge gesungen hatte, in denen ich mich gar nicht auskannte – küssen oder solche Sünden. Sie meinte, ich solle mich nicht sexualisieren und ich dachte mir nur: Was willst du von mir, ich bin 16!

Lizzie Mayland: Ich bekam mal einen guten Ratschlag von Brian May, in dem er mir sagte, ich solle mich nicht mit Nebenprojekten aufhalten. Aber es war zu spät, ich hatte längst eins. (lacht)

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