Er war einer der großen Singer/Songwriter unserer Zeit und prägte die Country-Musik wie wenige andere. Am 28. September 2024 starb Kris Kristofferson im Alter von 88 Jahren. Als Tribut an ihn widmen wir uns fünf grandiosen Momenten seiner Karriere.
Kris Kristofferson war ein musikalischer Gigant unserer Zeit. Er veränderte die Country-Musik, öffnete neue Themenfelder, neue Outlaw-Sichtweisen, neue lyrische Möglichkeiten. Er schrieb große Songs wie Help Me Make It Through The Night oder Me And Bobby McGee. Er spielte mit den anderen Großen der Country-Musik und drückte allem seinen Stempel auf. „Man kann sich Nashville in Nashville vor und nach Kris einteilen, denn er hat alles verändert“, sagte Bob Dylan einmal über ihn. Widmen wir uns nun fünf grandiosen Geschichten aus seinem Leben.
1. Er stand hinter Sinéad O’Connor, als sie von allen gemobbt und ausgebuht wurde.
Es war lange, bevor das Wort „Shitstorm“ Einzug in die Wörterbücher hielt; lange, bevor das Internet und die sozialen Medien dafür sorgten, dass Menschen von Tastaturkrieger:innen an den Pranger gestellt wurden: Was Sinéad O’Connor 1992 aber durchmachte, als sie aus politisch-religiösem Protest im TV ein Bild des Papstes zerriss, war heftiger als die meisten Shitstorms unserer Tage. Das gipfelte darin, dass die Zeit ihres Lebens von Presse und Öffentlichkeit oft ungerecht behandelte Musikerin zwei Wochen nach dem Vorfall von der Bühne des Madison Square Garden anlässlich einer Jubiläumsgala für Bob Dylan in New York ausgebuht wurde.
Während auch viele Personen aus der Entertainmentwelt auf O’Connor einschlugen, nahm Kristofferson sie auf der Bühne in den Arm und stellte sich hinter sie. Mehr noch: Er widmete ihr das Lied Sister Sinéad, in dem er etwa sang: „I’m singing this song for my sister Sinéad / Concerning the god awful mess that she made / When she told them her truth just as hard as she could / Her message profoundly was misunderstood“, und weiter: „And maybe she’s crazy and maybe she ain’t / But so was Picasso and so were the saints / And she’s never been partial to shackles or chains / She’s too old for breaking and too young to tame.“
Kristofferson zeigte damit große Klasse – man muss bedenken, dass die Country-Welt an sich oft sehr religiös ist und eine damals junge Frau mit rasiertem Kopf, die sich gegen die patriarchalischen Strukturen der Kirche stellte, war auch hier alles andere als gerne gesehen. Kristoffersons Support schrieb Geschichte und zeigt, dass er, genau wie O’Connor, auch für unpopuläre Meinungen geradestehen konnte.
2. Er arbeitete als Hausmeister in einem Studio – und bekam Rückenwind von Johnny Cash.
Auch Kris Kristofferson war mal ein junger Underdog. 1965, er war gerade von der Army gekommen, fing er an, als Hausmeister bei Columbia Records zu arbeiten. Dort traf er Johnny Cashs Frau June und gab ihr ein Demo mit seinen Songs – und Kristofferson durfte später sogar Cashs Aufnahmesessions beiwohnen. Allerdings kam es zu einem Vorfall mit dem Label, der ihn fast seinen Job gekostet hätte: „Einmal wäre ich fast gefeuert worden, weil ein paar Songschreiber in die Session gestürmt sind und ihm ein Gospelalbum andrehen wollten. Und aus irgendeinem Grund beschuldigte mich die Frau, die Sekretärin des Produzenten, sie reingelassen zu haben, und versuchte, mich feuern zu lassen. Dann kam mein Chef zu mir und sagte: ‘Ich denke, du solltest heute Abend nicht zu Johns Session gehen’, was mir das Herz brach, denn ich lebte für diese Aufnahmesessions. Aber ich verstand es“, so Kristofferson.
Allerdings war es Cash, der darauf bestand, dass Kristofferson kommen durfte. „Ich versteckte mich im Gewölbe des Aufnahmestudios und löschte dort Bänder oder machte irgendeine Art von Arbeit“, erzählte Kristofferson. „Er sagte: ‘Ich habe gehört, du kommst nicht zu der Session.’ Ich sagte: ‘Nein, ich habe hier unten eine Menge Arbeit zu erledigen. Ich kann nicht.’ Er sagte: ‘Nun, ich wollte dir nur sagen, dass ich keine Aufnahmen machen werde, bevor du nicht nach oben gekommen bist.’“ Wie die Geschichte ausging, wissen wir: Die beiden wurden nicht nur Kollegen, sondern auch gute Freunde. „Er ist immer für den Underdog eingestanden – und genau diesen Standard wollte ich auch erreichen.“ Womit wir zum nächsten Punkt kommen.
3. Er spielte in der größten Country-All-Star-Band aller Zeiten.
Richtig, wir sprechen hier von The Highwaymen. Vier Giganten der Countrymusik taten sich zusammen – Johnny Cash, Waylon Jennings, Willie Nelson und Kris Kristofferson. Die Gruppe existierte von 1985 bis 1995, nahm drei Major-Label-Alben auf und ging gemeinsam auf Tournee. Dass es zum Ende kam, war den schlechten Gesundheitszuständen von Cash und Jennings geschuldet.
„Diese Tourneen und die Platten, die wir gemacht haben, waren eine tolle Zeit“, erzählte Kristofferson im Jahr 2010 – und merkte an: „Ich wünschte nur, ich wäre mir mehr bewusst gewesen, wie viel Glück ich hatte, mit diesen Leuten die Bühne zu teilen. Ich hatte keine Ahnung, dass zwei von ihnen so bald fertig sein würden. Verdammt, ich war da oben und hatte alle meine Helden dabei. Das sind Typen, deren Aschenbecher ich früher geputzt habe. Ich bin irgendwie erstaunt, dass ich nicht noch erstaunter war.“
4. Er landete als junger Mann mit einem Helikopter in Johnny Cashs Garten – ungefragt.
Um diese Geschichte ranken sich Mythen – aber im Kern ist sie wahr: Als junger Soldat „lieh“ sich Kristofferson einen Army-Helikopter und landete damit in Johnny Cashs Garten, um seine Aufmerksamkeit zu bekommen und ihm ein Demo zu geben. Cash, erzählte Kristofferson, war trotz anderer Angaben gar nicht vor Ort, ebenso wenig June. Cash erinnerte sich indes, dass Kristofferson mit Bierdose in der Hand aus dem Hubschrauber ausgestiegen war und einen seiner Songs sang.
„Ich habe Johnny nie widersprochen, weil ich seine kreative Erinnerungsgabe schätze“, erzählte Kris einst im Interview mit dem Musicians Hall of Fame Museum. Bob Dylan erwähnte dies einst in seiner MusiCares-Rede: „Alles war in Ordnung, bis – bis – Kristofferson in die Stadt kam. Oh, sie haben noch nie jemanden wie ihn gesehen. Er kam in die Stadt wie eine Wildkatze, flog mit seinem Hubschrauber in Johnny Cashs Hinterhof wie ein typischer Songwriter. Und er ging ihm an die Gurgel.“
5. Er war auch erfolgreicher Schauspieler – und gewann einen Golden Globe.
1976 spielte Kristofferson an der Seite von Barbra Streisand im Film A Star Is Born (genau, jener Film, der 2018 als Remake mit Lady Gaga und Bradley Cooper erschien). „Als ich Kris zum ersten Mal im Troubadour Club in L.A. auftreten sah, wusste ich, dass er etwas Besonderes war. Barfuß und auf seiner Gitarre klimpernd, schien er die perfekte Wahl für ein Drehbuch zu sein, das ich gerade entwickelte und das schließlich zu A Star Is Born wurde“, schrieb Barbra Streisand nach Kristoffersons Tod über ihren Kollegen. Der Film wurde zum Klassiker – und Kristofferson zum Golden-Globe-Gewinner („Best Actor“).