
Mit „Who Believes In Angels?“ gönnen sich Elton John und Brandi Carlile ein klassisch-überbordendes Duettalbum
popkultur04.04.25
Voller Verspieltheit, Unbeschwertheit und Spaß lässt Elton John mit seiner langjährigen Freundin Brandi Carlile auf Who Believes In Angels? seine Großtaten der Siebziger auf originelle Weise neu aufleben.
Natürlich gab es Ausraster im Studio. Natürlich war es nicht immer einfach, mit Elton John an einem Album zu arbeiten. Natürlich gab es Drama, Drama, Drama. Aber sind wir doch mal ehrlich: Was anderes wollen wir doch auch gar nicht von einem neuen Elton-John-Album, oder? Neun Jahre nach seinem letzten regulären Studioalbum Wonderful Crazy Night und eigentlich ja mittlerweile auch aus seinem Live-Ruhestand heraus hat der 78-jährige Sir Reginald Dwight doch noch mal ein neues Album aufgenommen.
Das allein ist beachtenswert.
Who Believes In Angels? im Circle Store:
Dass er sich aber mit seiner engen Freundin Brandi Carlile zusammentut und für das Projekt zudem gleich noch seinen Texter Bernie Taupin und Produzent der Stunde Andrew Watt gewinnt, ist ein echter Glücksfall für all diejenigen, die einfach mal wieder ein großes, ein unterhaltsames, ein bewusst überzogenes Pop-Album im Geiste der Siebziger genießen wollen. Und sind wir doch mal ehrlich: In diesen Zeiten wollen wir das doch alle.
Der Superstar und der Superfan
Im Grunde kann man sich das also so vorstellen, dass John und Carlile, Busenfreunde seit Ewigkeiten, den Spirit all seiner klassischen Werke noch mal ganz neu aufgesaugt und in ihr erstes gemeinsames Album geatmet haben. Eine bessere Partnerin hätte es für Elton John gar nicht geben können: „Ich bin seit meinem 13. Lebensjahr in einer Band mit Elton John, aber er hat es erst jetzt herausgefunden“, so gestand Brandi Carlile in einem Interview mit CBS im vergangenen Monat. Sie ist Superfan von Captain Fantastic And The Brown Dirt Cowboy (1975), hat den Rocketman in ihrer Musik zwischen Country und Indie immer wieder liebevoll zitiert.
Wie gut diese Mischung zusammengeht, zeigte schon die erste Single Never Too Late. Ihre reiche, klare Stimme harmoniert gut mit dem mittlerweile recht ernsten Grollen Johns, ihr oftmals feingliedriger Sound lehnt sich an seinen bluesig-boppigen Pop-Sound. Das Beste beider Welten wird hier herausgearbeitet, vor allem aber ist Who Believes In Angels? das Zeugnis jahrzehntelanger Freundschaft.
Schwierigkeiten im Studio
Für Who Believes in Angels? schließen sich die beiden zusammen mit Johns Texter Bernie Taupin und dem Produzenten Andrew Watt (der schon 2021 für Hold Me Closer, Johns Hit mit Britney Spears, verantwortlich war) für 20 Tage in einem Studio ein. Da geht nicht immer alles harmonisch zu. Johns Temperament kommt mehr als einmal zum Vorschein, er zerdeppert ein iPad, beschimpft Carlie, zerreißt ihre Texte. Das wissen wir alles nur, weil Elton John es das erste Mal erlaubt hat, den gesamten Aufnahmeprozess eines Albums zu filmen. Da sind dann einige Whiskey Sours für Taupin nötig, um Brandi Carlile vom Hinschmeißen abzubringen. Denn immerhin: John behauptet, dass es Carlile war, die ihn ins musikalische Leben zurückgebracht hat.
Irgendwie hört man das dem Album aber eben gar nicht an. Es entströmt eine ansteckende Leichtigkeit, die auf eine ebenso simple wie effiziente Tatsache zurückzuführen ist: Obwohl sie neu sind, klingen diese Stücke im besten Sinne so, als würde man sie schon seit Jahrzehnten kennen und mitsummen. Das war sogar das erklärte Ziel von Who Believes In Angels?: den Zauber und den Charme seiner Siebziger-Klassiker ins Hier und Jetzt holen. Dafür lässt Produzent Andrew Watt nichts, aber auch gar nichts unversucht: Er leiht sich sogar das Schlagzeug aus, das 1973 auf Goodbye Yellow Brick Road verwendet wurde und später vom Hollywood-Schauspieler Ben Stiller auf einer Auktion gekauft wurde. Wer macht denn so was?
Es endet mit dem Tod
Die lebhaftesten Stücke sind der Opener The Rose Of Laura Nyro mit seinen flirrenden Synths, die queere Hymne Swing For The Fences, das Americana-Prachtstück The River Man oder eben die bereits bestens bekannte Single Never Too Late, die einen eindeutigen Tiny Dancer-Vibe verspürt. Alles in allem wohnen wir hier einem ganzen Raum voller Superstars bei, die dennoch die Musik über alles stellen und uns somit vielleicht das letzte große Pop-Album einer untergehenden Generation bescheren. Und weil am Ende mit When This Old World Is Done With Me noch eine ergreifende Pianoballade über den Tod wartet, bekommt das Album bei aller Unbeschwertheit auch Gravitas und Bedeutung.