Summer Walker ist ein wichtiges Gesicht im R&B geworden. Sie wird geschätzt für ihren modernen Sound und ihre ehrlichen Texte aus einer frischen Perspektive. Wir nehmen sie genauer unter die Lupe.
Eine schicksalsträchtige Google-Suche
Es ist eine Geschichte für die Bücher: Beim damals noch jungen Label LVRN aus Atlanta arbeitet eine Studiomanagerin namens Summer Walker. Eines Tages googlet sie ‒ wie man das eben so macht ‒ sich selbst und stößt auf etwas Kurioses: Eine junge Frau mit genau dem gleichen Namen, Summer Walker, ebenfalls aus Atlanta, postet regelmäßig Videos auf YouTube und Vine (Ruhe in Frieden!), in denen sie R&B-Songs covert. Irgendetwas an der Stimme und dem Charisma dieser Summer Walker fasziniert die andere Summer Walker so sehr, dass sie sich bald dazu entscheidet, die Sängerin bei sich unter Vertrag zu nehmen.
Natürlich geht es in diesem Portrait nicht um die LVRN-Managerin, sondern um die Sängerin. Diese freut sich über den Deal ‒ dabei macht sie Musik eigentlich primär für sich selbst, was sie auch Jahre später noch Spin Magazine erzählt. Summer Walker drückt ihre Gefühle nebenbei in Musik aus und arbeitet zum Zeitpunkt ihrer Entdeckung noch als Stripperin und tagsüber als Putzkraft.
Mit dem Vertrag beim Label konzentriert sie sich nun mehr auf ihre Musik und veröffentlicht bald ihr erstes Mixtape Last Day Of Summer. Der Sound sticht auch da schon heraus. Es ist R&B, aber sehr atmosphärisch und hat durch die Trap-artigen Drums eine leichte, moderne Kälte. Einer der Songs, Girls Need Love, läuft schon ganz gut im Radio, da hört ihn Drake. Dieser meldet sich direkt bei Summer Walker, da er eine Idee für einen Remix hat, bei dem er eine Gaststrophe beisteuert. Gesagt, getan, der Remix wird aufgenommen und kurz danach ist es ein riesiger Hit.
Eine überzeugend ehrliche Persönlichkeit
Drake ist in Girls Need Love schlicht der perfekte Gegenpart zu Summer Walkers verführerischer, sexpositiver Persönlichkeit. Diese Persönlichkeit Walkers ist mit einer der wichtigsten Gründe, wegen derer sie so auch jetzt noch heraussticht. Summer Walker ist eine emanzipierte Schwarze Frau, eine ehemalige Stripperin, die Geschichten aus dem Datingleben, Geschichten über weibliches Verlangen, aber auch Selbstfindung, offen und selbstverständlich erzählt. Ihre Perspektive ist eine, die in den durch männliches Verlangen diktierten Genres R&B und Hip-Hop dringend nötig ist. Einen ähnlichen Charme haben Kolleg:innen wie SZA oder Doja Cat.
Abseits ihrer Musik präsentiert Walker sich online ehrlich und unsicher, so wie sie ist. Erfolg war nie ihr Hauptziel, aber plötzlich prasselt er in riesigem Ausmaß auf sie ein. Das Debütalbum Over It kann mit weiteren Star-Features wie Usher oder Bryson Tiller auffahren ‒ und die dazugehörigen Songs Come Thru und Playing Games sind natürlich auch waschechte Hits. Das Nachfolgealbum Still Over It bricht am Releasetag im Jahr 2021 einen Rekord: Es kreiert auf Apple Music die meisten Streams einer weiblich gelesenen Künstlerin innerhalb eines Tages.
Summer Walker im Circle Store:
Der neue R&B
Auf den Alben Over It und Still Over It baut Summer Walker ihren Sound weiter aus. Die Songs des Mixtapes Last Day Of Summer waren noch vergleichsweise minimalistisch und ließen instrumental viel Raum. Die Nachfolger aber definieren Walkers modernen R&B-Stil: In den Instrumentals treffen Trap-Beats auf warme Pianos, Gitarren und Basslines; Walkers smoothe Stimme thront darüber und lädt oft Rap-Gäst:innen zu sich ein.
Over It wird größtenteils von London On Da Track produziert. Er ist ein Produzent, der aus der Hip-Hop-Welt nicht wegzudenken ist ‒ und zu dem damaligen Zeitpunkt Summer Walker datet. Ihre Beziehung zerfällt aber nach zwei Jahren und auf dem nächsten Album Still Over It ist London plötzlich das Thema der Breakup-Songs. Mit ihrem Herzschmerz geht Summer Walker genauso ehrlich und ungeschönt um wie mit anderen Themen.
Schluss mit Gefühlen
Nun, im Jahr 2025, stellt sich die Frage, wie es wohl weitergeht: Ja, das nächste Album soll dieses Jahr kommen und tatsächlich Finally Over It heißen. Klingt doch recht optimistisch! Tatsächlich aber sollen die Songs darauf eher dem Leben in einer erträumten Fantasiewelt entsprechen. Eine Welt, in der aller Herzschmerz gelöst ist und lediglich zu Kunst wird. Eine Welt, in der Gefühle Schnee von gestern sind.
Das zeigt bereits der aktuelle Vorbote Spend It. Darin predigt Summer Walker die Liebe zum Exzess und zum Geld, in der Hoffnung, dass dies alle Gefühle ersetzen kann. Ihren Partner bittet sie: „Buy back my love, you can keep your heart“. Ironische Übertreibungen und emotionale Kälte waren bisher nicht das, was man mit Summer Walker verbindet. Ob Finally Over It schlussendlich eine knallharte Moral für das emotional abgekapselte Wunschdenken bereithält? Wir bleiben gespannt.