
Review: „Sink Now, Swim Later“ etabliert Sienna Spiro als eine der größten Stimmen ihrer Generation
platten21.02.25
Je mehr KI die Musik dominiert, desto wichtiger wird echte, organische, warme Musik. 2025 dürfte deswegen das Jahr von Sienna Spiro werden: Ihre erste EP Sink Now, Swim Later ist eine heilsame Lehrstunde in Sachen soulig-jazziger Pop.
Hört euch Sienna Spiro live an:
Man stelle sich eine große Stimme irgendwo zwischen Whitney Houston und Billie Eilish vor. Voll, charakterstark, aber auch sanft, zurückhaltend, ahnungsvoll gehaucht. Man hört sie zum ersten Mal und spürt sofort: Das ist eine dieser Stimmen, die man nur alle paar Jahre zu hören bekommt. Ein großes Talent, voller Ausdruck, voller echter Emotion. Sie gehört einer 19-jährigen Engländerin namens Sienna Spiro, eine der größten Pop-Entdeckungen des Jahres.
Wenn sie singt, muss man zuhören
Ihr Zuhause sind die leisen Töne. Nachdenkliche, zerbrechliche Melodien, begleitet von Klavier, von Akustikgitarre, von mehrstimmigem Gesang. Ihr Pop gibt sich reflexiv und zurückhaltend, laut, grell oder bunt ist hier gar nichts. Sie liebt Jazz ebenso sehr wie Soul, das hört man den getragenen Stücken von Sink Now, Swim Later an. Sie verehrt die bereits erwähnte Whitney Houston ebenso wie Amy Winehouse, Frank Ocean oder Etta James, sie hat von Billie Eilish gelernt, dass es oft die ruhigen Momente sind, die die größte Stärke entfalten.
Wenn sie singt, kann man gar nicht anders, als zuzuhören. Die Welt zieht sich zurück, das Leben drückt die Pause-Taste, wenn man ihr lauscht. Das ist ein rares Talent. Eine Stärke, die durch die grandiose Produktion noch deutlicher wird. Produzent Yakob (SZA, Lauv) sorgt für einen zurückhaltenden und doch üppigen Sound, der Sienna Spiros Liebe zu Jazz und Soul einfängt. Zarte Hintergrundharmonien und leise aufsteigende Streicher erzeugen einen reichen, eindringlichen Klang, der alles umhüllt. Erstaunlich ist, dass das alles gar nicht nostalgisch, sondern ganz und gar nach Zeitgeist, nach 2025 klingt. Eine neue Ära für die Popmusik vielleicht?
Soul und Jazz als Inspiration
Sienna Spiro ist zumindest anders als viele andere. Sie mag die kleinen Jazz-Clubs und Bars. Sie sagt Dinge wie:
„In einem Kleid kann ich
nicht singen“
Sienna Spiro begegnet ihrer Musik geradezu synästhetisch. „Jedes meiner Lieder hat eine Farbe“, sagt sie. Ergreifend ist ihre Musik, nicht weniger als das. Mit nicht mal 20 Jahren spricht eine Erfahrung aus ihr, eine Reife, die viele ihrer Kolleginnen nicht mal zehn Jahre später hören lassen. Elegant, voller viszeraler Emotion, Verletzlichkeit und Stärke.
Sienna Spiro schreibt Songs, seit sie zehn ist, hat sich ihre Karriere allein aufgebaut und mit Coversongs bei TikTok für Furore gesorgt. „Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich mit Musik angefangen habe. Es ist einfach etwas, das ich schon immer gemacht habe. Als ich jünger war, hat mein Vater immer alte Soul- und Jazzplatten aufgelegt, was bis heute der Kern meiner Inspiration ist.“ Das kommt an: Heute hat sie bei der Plattform 650.000 Follower. Tendenz stark steigend. Längst zählen auch Größen wie SZA oder Finneas zu ihren erklärten Fans.

Und doch ist diese erstaunliche EP erst der Anfang. Der Anfang einer Reise, die ganz nach oben führen könnte. Sink Now, Swim Later hat all die Merkmale eines Klassikers, jeder Song für sich steht strahlend, erhaben, elegant und bewegend für sich. Ist das Englands größtes neues Gesangstalent? Kein Zweifel. Vom emotionalen Opener Butterfly Effect, der die klassische Pop-Struktur zugunsten einer erfrischenden Unvorhersehbarkeit eintauscht, über das wunderschöne Taxi Driver, das man danach sofort wieder hören muss, bis zum trippigen Ausklang Cyanide können wir hier einer neuen Pop-Sensation beim Erblühen zuhören. Das ist ein Privileg, mit dem wir nicht leichtfertig umgehen sollten.