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Foto: Paras Griffin/Getty Images

5 Dinge, die wir aus der Netflix-Doku über Sean Combs mitnehmen

Sammeln wir mal alles an Euphemismus, was wir so in uns haben, und sagen es mal so: So richtig gut kommt Sean Combs alias P. Diddy alias Puff Daddy in der aktuellen Netflix-Doku Sean Combs: The Reckoning nicht gerade weg … und zwar in jeglicher Hinsicht. Der ehemalige vermeintliche Rap-Mogul (Gott, wie inflationär dieses Wort immer gebraucht wird!) sitzt derzeit eine über vierjährige Haftstrafe wegen Sexualstraftaten ab, vorgeworfen wird/wurde ihm noch eine ganze Menge mehr. Menschenhandel etwa.

Man könnte glauben, viel mehr als das ginge gar nicht – aber die dreiteilige Doku, die von ebenfalls Rap-Mogul 50 Cent produziert wurde, geht (mit teils gekauftem Videomaterial, das Combs, aus welchen Gründen auch immer, drehen ließ) noch ein ganzes Stück tiefer und weiter zurück. Wir lassen an dieser Stelle mal die Geschichte mit dem Babyöl und den Freak-offs außen vor, die wurde medial bereits ausführlichst breitgetreten, und widmen uns einigen Dingen, die wir aus der Doku mitnehmen.

1. Combs’ Machtmissbrauch war systematisch.

Bad Boy for life? Wohl eher: Kontrolle, Manipulation, Isolation und Einschüchterung for life. Denn das hatte – egal ob Mann oder Frau – bei Combs offenbar System, wenn man der Doku glaubt. Egal, ob als Boss oder Geschäftspartner, egal, ob es um Investments oder sexuelle Beziehungen ging: Combs soll seine Position nicht zwingend genutzt haben, um Menschen zu fördern, sondern um sie abhängig zu machen, kleinzuhalten und zu kontrollieren. So berichten ehemalige Künstler:innen etwa, dass sie hohe Plätze in den Charts hatten, aber pleite waren, da ihnen von Combs kein Geld ausgezahlt wurde. Und wenn man ihn dann mal um etwas bat, zog er angeblich ein Bündel Geldscheine raus und ließ nur einen Hunderter springen. Es gibt unzählige Beispiele in der Doku, aus denen hervorgeht, dass Combs sein Umfeld benutzte und – wenn es ihm dienlich war – bedrohte.

2. Sean Combs akzeptierte kein „Nein”.

Dass Sean Combs eine bemerkenswerte Energie, Charisma und Überzeugungskraft hatte, ist unumstritten. Combs war ein Energiebündel, schaffte es schnell vom Plattenfirmenpraktikanten zum Boss – so was schafft man für gewöhnlich nicht, wenn man vor Selbstzweifel überquillt. „Nein“ gab es für Combs wohl nicht – und das kann in kreativen Beziehungen und im Business sicherlich teilweise förderlich sein. Wenn es um zwischenmenschliche Beziehungen geht, ist die Einhaltung eines „Neins“ aber eine Grundvoraussetzung. Genau das, so der Eindruck, den wir von der Doku mitnehmen, war Combs aber völlig fremd. Wenn er etwas wollte, setzte er alles daran, es auch zu bekommen. Leider waren das wohl aber auch immer mal die Partnerinnen von Freunden – oder Angestellte, denen er obszöne und obskure Nachrichten geschickt haben soll.

3. Er hatte gleichermaßen Gottkomplex und Komplexe.

Combs hielt sich, so hat man den Eindruck, für den Größten. Während die Selbstbeweihräucherung im Hip-Hop jetzt nichts Neues ist, scheint er das Ganze aber etwas ausgeprägter in sich verankert gehabt zu haben. Combs, heißt es irgendwann in der Doku, habe sich selbst für Superman gehalten, wobei man den Eindruck hatte, dass es wohl eher eine Art Gottkomplex gewesen sein muss. Und apropos Komplex: Da scheint es auch durchaus Dinge gegeben zu haben, die Combs wurmten. Etwa, dass er – das sagen einige ganz klar in der Doku – einfach selbst kein talentierter Rapper war und eifersüchtig auf das Talent anderer.

4. Tupac Shakur und Notorious B.I.G. mochten sich eigentlich.

Natürlich spielt auch der Rap-Krieg zwischen East Coast und West Coast eine bedeutende Rolle – und vor allem zwei der großen Protagonisten aus dieser Zeit. Tupac Shakur und Notorious B.I.G. galten nicht nur als die größten Rapper ihrer Zeit, vielleicht aller Zeiten, sondern auch als erbitterte Erzfeinde. Geht es nach der Doku, hat Combs damit eine ganze Menge zu tun. Denn wie ausführlich beleuchtet wird, mochten sich die beiden eigentlich sogar ziemlich gern. Tupac, bereits ein Superstar, freute sich über den Erfolg von Biggie, nahm ihn mit auf Tour, feuerte ihn an. Videomaterial zeigt die beiden entspannt beim Freestylen – und offenbar hatte keiner der beiden auch nur einen neidvollen Gedanken über den anderen. Glaubt man der Doku, war Combs das gute Verhältnis der beiden ein Dorn im Auge – und er, so die Geschichtsschreibung, tat alles dafür, um das zu sabotieren. Und ja: In der Doku wird auch von einigen angedeutet, dass Combs mit der Ermordung von Tupac Shakur etwas zu tun hatte – was natürlich keineswegs bewiesen und somit eine reine Behauptung ist.

5. Combs dachte wohl, er kriegt das wieder hin.

Zu Beginn der Doku sieht man, wie Combs mit seinen Anwälten telefoniert. Er hat sich dabei filmen lassen, der Grund dafür ist nicht ganz klar. Es scheint, als hätte er irgendwie bis zuletzt geglaubt, dass sich das Blatt noch irgendwie wenden ließe. Combs schien daran zu glauben, dass er die Kontrolle zurückgewinnen könne – weil er Kontrolle eben gewohnt war. Er betrieb Imagepflege, zeigte sich auf den Straßen New Yorks, gab sich volksnah.

Am Ende ist man einfach nur froh, dass er damit nicht durchgekommen ist. Am schlimmsten sind die Videos der Überwachungskameras, in denen gezeigt wird, wie Combs seine damalige Freundin Cassie Ventura schlägt und tritt, während diese bereits auf dem Boden liegt. Man hat diese Aufnahmen bereits vor der Doku gesehen, aber sie sind das Zeugnis dessen, dass einfach nichts an Sean Combs bewundernswert sein kann und dass es wichtig ist, dass Personen wie er keine unkontrollierte Macht behalten.

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