
Doves sind zurück. Mit Constellations For The Lonely legt die Band um Jimi Goodwin und die Brüder Jez und Andy Williams ihr sechstes Studioalbum vor. Wir baten zum Gespräch.
Ein düsteres Album sei es geworden – das hatte Doves-Mitglied Jez Williams bereits im Vorfeld angekündigt. „Wir leben in ziemlich beschissenen Zeiten, also wollten wir das widerspiegeln, aber auch ein wenig Hoffnung geben“, so der Musiker. Als Inspirationsquellen dienten diesmal verstärkt zwei Filme: Paris, Texas von Wim Wenders und der Sci-Fi-Cyberpunk-Klassiker Blade Runner. Wir sprachen mit Jez’ Bruder Andy Williams über die Bandgeschichte, den Entstehungsprozess der neuen Platte sowie Einflüsse und Inspirationen. Außerdem redeten wir darüber, wie es ist, ohne ihren Frontmann Jimi auf Tour zu gehen.
Andy, im Vorfeld hat man viel darüber gelesen, dass ihr diesmal remote gearbeitet habt.
Ich habe das auch irgendwo gelesen, aber tatsächlich war da gar nicht viel Remote-Arbeit dabei. Klar, wir schreiben oft getrennt, das stimmt, aber wir kommen eigentlich immer zusammen. Diesmal waren es meistens Jez und ich, die im Studio an Ideen gearbeitet haben. Aber ja, wir haben uns immer gemeinsam getroffen, um aufzunehmen. Ich weiß nicht, woher das Gerücht mit den Remote-Aufnahmen kommt. Vielleicht, weil wir die Songs oft getrennt voneinander entwickeln, aber am Ende sind wir alle zusammen im Studio.
Wie läuft euer Arbeitsprozess ab?
Einer von uns hat eine Idee, arbeitet daran allein und bringt sie dann mit ins Studio. Dann sehen wir, ob sie bei den anderen ankommt. Manche Ideen kommen nicht gut an, andere schon. Wenn etwas bei uns dreien Resonanz findet, geht es durch den Doves-Filter. Manche Songs sind schon recht weit entwickelt, wenn sie ins Studio kommen, aber wenn wir sie dann als Band spielen, werden sie zu einem Doves-Song. Es gibt keinen festen Ablauf, das ändert sich von Song zu Song. Vielleicht ist das auch das, was es spannend hält. Manchmal schreiben wir Songs sehr schnell, manchmal dauert es Jahre, bis sie richtig zusammenfinden. Aber das gehört dazu.
Doves im Circle Store:
Was genau ist dieser Doves-Filter?
Jeder von uns hat seine eigene Art, sein Instrument zu spielen. Auch bei den Texten kann es sein, dass jemand eine Idee hat, aber nicht den kompletten Song. Vielleicht gibt es eine Strophe, aber noch keinen Refrain. Dann probieren Jez oder ich aus, ob wir das vervollständigen können. Es gibt also kein festes Schema, aber genau das macht den Prozess aus. Wir experimentieren viel, werfen Dinge weg, holen sie später zurück. Es ist wie ein Puzzle, das sich über die Zeit zusammensetzt.
Wann begann die Arbeit am neuen Album und in welcher Stimmung seid ihr gestartet?
Ganz ehrlich? Unsere Stimmung war nicht die beste. Zwei Tourneen wurden abgesagt, und das war hart. Zuerst wegen COVID, dann wegen Jimis Gesundheitszustand. Also legten wir eine Pause ein. Aber wie das immer so ist, fangen Jez und ich irgendwann an, wieder an Songs zu basteln, tauschen Ideen aus, und sobald Jimi wieder arbeiten konnte, haben wir ihn dazugeholt. Wir haben nie gesagt: „Okay, jetzt machen wir ein Album.“ Es war ein organischer Prozess. Erst als wir fünf, sechs Songs hatten, die uns wirklich gefielen, dachten wir: „Vielleicht ist hier ein Album drin.“
Wann war das ungefähr?
2021. Manche Songs auf dem Album sind älter, wie Cold Dreaming – der ist sieben Jahre alt. Wir haben ihn immer wieder angefangen und wieder zur Seite gelegt, bis wir 2021 endlich einen Weg gefunden haben, ihn fertigzustellen. Es war ein Prozess mit vielen Höhen und Tiefen, und manchmal mussten wir einfach abwarten, bis wir wussten, wie wir den Song richtig umsetzen.
Euer letztes Album The Universal Want war ein Erfolg. War es frustrierend, es nicht live spielen zu können?
Ja, das war extrem frustrierend. Wir waren stolz auf das Album, es wurde gut aufgenommen, ging auf Platz 1, und viele Leute wollten es live hören. Dass das nicht möglich war, war niederschmetternd – vor allem für Jez und mich. Live zu spielen ist uns sehr wichtig, weil das eine direkte Verbindung mit dem Publikum schafft. Musik zu veröffentlichen fühlt sich abstrakt an, solange man sie nicht live spielt. Die Energie, die bei Konzerten entsteht, ist durch nichts zu ersetzen. Wir haben das vermisst, und deshalb freuen wir uns umso mehr auf die kommende Tour.
Jetzt ist eure Tour fast ausverkauft. Gibt euch das Rückenwind?
Definitiv. Es ist eine Erleichterung. Wir wussten, dass es die richtige Entscheidung ist, weiterzumachen, auch wenn Jimi nicht mehr touren kann. Er unterstützt uns voll und ganz. Manche Leute sind vielleicht irritiert, weil der Sänger nicht mitkommt, aber wir haben immer als Kollektiv funktioniert. Die Band ist größer als ihre Einzelteile. Jimi wird fehlen, aber wir werden eine starke Show spielen. In den Proben klingt es großartig, und ich glaube, die Leute werden positiv überrascht sein. Wir haben alles daran gesetzt, dass es sich trotzdem nach Doves anfühlt.
Denkt ihr beim Schreiben schon ans Live-Spielen?
Nein, das ist völlig getrennt. Oft fragen wir uns erst später: „Wie sollen wir das live spielen?“ Manchmal improvisiere ich im Studio, besonders bei Drums, wie bei Cold Dreaming. Dann stehe ich später auf der Bühne und denke: „Wie hab ich das damals gemacht?“ Es wird also nicht exakt wie auf der Platte klingen, sondern eine eigene Live-Version bekommen. Manchmal entdecken wir erst auf Tour, wie wir einen Song wirklich spielen wollen.
Gab es Songs, die live einfach nicht funktionierten?
Ja, zum Beispiel Cathedrals Of The Mind vom letzten Album. Wir haben es zwei Wochen lang geprobt, aber es hat einfach nicht funktioniert. Wir haben das Glück, dass wir genug Songs zur Auswahl haben. Wenn etwas nicht hinhaut, legen wir es zur Seite. Wir wollen, dass sich die Live-Show organisch anfühlt, und wenn ein Song nicht passt, dann passt er eben nicht.
Ihr habt euch von Filmen wie Paris, Texas und Blade Runner inspirieren lassen. Was fasziniert euch daran?
Paris, Texas hat eine unglaubliche Atmosphäre – viel Stille, viel unausgesprochene Emotionen. Harry Dean Stantons Performance ist fantastisch. Und natürlich der Ry-Cooder-Soundtrack. Blade Runner ist ein anderer Klassiker, den wir lieben. Bei Renegade wollte ich, dass der Gesang klingt, als wäre Scott Walker in Manchester im Jahr 2050 unterwegs. Am Anfang des Albums gibt es eine kleine Hommage an Vangelis – ein kurzes Synth-Sweep, das unsere Verneigung vor ihm ist.
Wie sieht die nahe Zukunft für euch aus?
Die Tour wird spannend – ich habe seit 15 Jahren keine UK-Tour mehr gemacht. Ich hoffe, wir können auch in Europa spielen. Leider hat der Brexit das extrem teuer gemacht. Wir würden gerne nach Deutschland kommen – wir lieben deutsche Musik wie Neu! und Kraftwerk. Mal sehen, ob es klappt. Musik bleibt unser Leben, und wir werden so lange weitermachen, wie wir können.