Mit ihrem neuen Soloalbum Bouquet öffnet Gwen Stefani ihren Sound in Richtung Siebziger-Pop und Country. Im Interview spricht die Ikone über den Schaffensprozess, ihre Vergangenheit und die Aufnahmen in Nashville.
Gwen Stefani hat ein entscheidendes Kapitel der Neunziger mitgestaltet. Als Sängerin von No Doubt schreibt sie Alternative-Rock-Geschichte, 33 Millionen Platten kann die Band verkaufen. Mit Don’t Speak schreibt sie eine der großen Balladen der Neunziger, ganze 16 Wochen hält sich der todtraurige Song an der Spitze der US-Charts. Was danach noch kommen kann? Eine unvergleichliche Solokarriere zum Beispiel, die vor ziemlich genau 20 Jahren mit Love. Angel. Music. Baby. beginnt. Sieben Jahre nach ihrem Weihnachtsalbum You Make It Feel Like Christmas ist Gwen Stefani endlich zurück: Mit Bouquet legt sie ihr bisher stimmigstes Album vor und zelebriert ihre Liebe zum großen Pop der Siebziger, zu Fleetwood Mac... und zum Country.
„Ich bin so aufgeregt wie nie zuvor.“
Bouquet ist ein ganz wundervolles Album, dem man vor allem anhört, wie sehr du Musik immer noch liebst. Ist das etwas, das du dir immer bewahren konntest?
Absolut. Ich hörte diese laute Stimme in mir, die mir immer wieder sagte, dass ich diese Platte machen muss. Niemand redete mir rein, niemand zwängte mich in eine Richtung, da waren einfach nur die Musik und ich. Ich hatte so viele Ideen, so viel Inspiration, dass ich mich fast schuldig fühlte. Ich hatte ja schon so oft gewonnen, wieso sollte ich also noch mal so viel Glück haben? Aber ich machte einfach weiter – ohne zu wissen, ob es da draußen überhaupt jemanden interessieren würde. Mehr denn je habe ich heute das Gefühl, dass Musik meine Bestimmung ist. Musik ist das einzige, was dieses Feuer in mir entfacht. Für mich ist Musik heilsam, ein intimer Prozess zwischen meinen Gedanken und mir. Und ich hatte in den vergangenen Jahren fast vergessen, wie sich das anfühlt. Diese Lieder jetzt mit der Welt zu teilen, erfüllt mich vor allem mit tiefer Dankbarkeit. Ich hätte ehrlich gesagt nie gedacht, dass ich das noch mal erleben darf.
Klingt fast so wie ein Neuanfang…
Das Gefühl ist durchaus so wie bei meinem ersten Album, das stimmt. Ich bin so aufgeregt wie nie zuvor, was aber auch daran liegt, dass ich mittlerweile weiß, dass unsere Zeit hier begrenzt ist. Plötzlich willst du nicht mehr faul sein, willst nicht schlafen. Du willst aufwachen und so viel wie möglich erleben, weil das Leben so schrecklich kurz ist. Daran denkt man mit 25 noch nicht, aber daran denke ich jetzt.
„Es fühlte sich an, als würde ich mein altes Abschlussballkleid aus der Highschool anziehen und es passte nicht mehr so gut.“
Das Schöne an Bouquet ist, dass ihm dieses warme Gefühl entströmt, das alle zeitlosen Pop-Platten auszeichnet. Wie hat sich der Entstehungsprozess von all den anderen Alben unterschieden, die du gemacht hast?
Alles in meiner Vergangenheit hat eine individuelle, einzigartige Geschichte. Es macht mir Freude, das noch mal zu durchleben und mich daran zu erinnern, was in meinem Leben damals los war. Bouquet nahm schon vor zehn Jahren seinen Anfang. Und auf gewisse Weise erzählt es die Geschichte meiner letzten zehn Jahre – meiner Scheidung und meiner neu gefundenen Liebe. Vor vier Jahren fing ich dann wirklich mit dem Songwriting an. Und zufällig habe ich mich vor vier Jahren mit dem einzigen Menschen auf dieser Welt verlobt, der mich wirklich geliebt und mir gezeigt hat, wie sich Liebe anfühlt. Also schreibe ich natürlich darüber. Weil es mir die Welt bedeutet. Und weil ich mein damaliges Ich besser verstehen wollte.
Das Album ist also inmitten der Pandemie entstanden?
Genau, und deswegen wollte ich von Anfang an ein Album schreiben, das den Menschen Freude bringt. Das unbeschwert ist nach all der Dunkelheit, die wir erlebt haben. Doch es wollte mir einfach nicht gelingen. Ich bekam nichts zustande, das zu mir sprach – bis ich Purple Irises schrieb. Plötzlich merkte ich, dass ich da bin, wo ich sein sollte. Wenn du einen guten Song schreibst, überrumpelt er dich genau so wie deine Hörer:innen. Daran hielt ich fest, damit machte ich weiter. Ich schrieb mit einigen sehr talentierten Menschen aus dem Pop-Bereich, weswegen Bouquet auf jeden Fall dieses Pop-Flair hat, aber als die Songs fertig waren, war ich nicht wirklich zufrieden. Es fühlte sich an, als würde ich mein altes Abschlussballkleid aus der Highschool anziehen und es passte nicht mehr so gut. Also nahm ich das ganze Album neu auf – eher in einer Live-Umgebung, reduzierter und organischer. Mein Mann brachte mich mit Scott Hendricks zusammen.
Der ist eher für seine Arbeit als Country-Produzent bekannt. Hat das deinem Album diesen Nashville-Touch gegeben?
Scott ist ein Universalglehrter, ein Genie, kreativ, schrullig, unbeholfen, eben alles, was man sich von einem kreativen Menschen wünscht. Er hört Musik wie ein Hund, weißt du? Ich liebte es einfach, mit ihm zu arbeiten. Ich wollte schon seit Jahren mit ihm arbeiten, aber ich dachte nicht, dass er wirklich mit mir arbeiten wollte. Warum sollte er auch? Ich meine, er hatte über 120 Nummer-eins-Radiohits. Es gibt nichts Größeres als ihn, also war ich richtig nervös, als ich ihm Purple Irises schickte. Ein paar Tage später schrieb er mir eine SMS: „Gwen, ich kann nicht aufhören, diese Musik zu hören.“ Das war die größte Ehre, die ich mir vorstellen konnte. Also gingen wir nach Nashville, wo wir mit all diesen unglaublichen Musiker:innen aufnahmen. So ist daraus eine Pop-Platte geworden, die durch diese pure, freie Gruppe von Musiker:innen neu erfunden wurde. Ich wollte, dass die Platte so klingt, wie die Songs, die ich als ich als Kind auf dem Rücksitz unseres Kombis im Radio hörte, als wir zur Kirche fuhren.
„Ich war überzeugt davon, es nie zu etwas zu bringen.“
Dein Ehemann Blake Shelton ist ebenfalls ein sehr erfolgreicher Musiker. Für Bouquet habt ihr ja auch zusammengearbeitet – lief das immer rund und harmonisch?
Hey, wir sind erst seit drei Jahren verheiratet, na hoffentlich läuft es da rund und harmonisch. (lacht) Wir sind seit über neun Jahren zusammen, und ich glaube, wenn man seinen besten Freund gefunden hat, dann hat man auch in schweren Zeiten Spaß. Eben weil man einander hat und weil das Leben nun mal nie einfach ist. Und das ist, doch der Traum, den wir alle träumen, nicht wahr?
Dein erstes Soloalbum erschien vor ziemlich genau 20 Jahren. Bist du die Solokünstlerin geworden, die du immer werden wolltest?
Ich glaube, ich wollte nie irgendetwas werden. Als ich jünger war, war ich sehr passiv, ließ alles eher geschehen anstatt die Kontrolle zu übernehmen. Ich habe mich nie wirklich als Künstlerin gesehen. Bis ich anfing, eigene Songs zu schreiben. Und als ich das tat, war ich schockiert. Ich hatte die ganze Zeit über nicht gewusst, dass ich Flügel hatte. Als ich meinen ersten Song schrieb, war es, als ob etwas in mir erwachte, von dem ich nicht wusste, dass es da war. Das lag daran, dass ich als Kind viele Schwierigkeiten hatte. Ich war Legasthenikerin, überzeugt davon, es nie zu etwas zu bringen. Aber ich hatte tolle Eltern und eine tolle Familie. Ich wuchs sehr behütet auf, war aber wegen meiner Lernschwäche immer eine Außenseiterin. In der Musik fand ich ein Zuhause. In der Musik gibt es keine Regeln, du brauchst keine Grammatik, kein Buchstabieren. Und das Witzigste daran ist, dass ausgerechnet ich der Welt beigebracht habe, wie man B-A-N-A-N-A-S buchstabiert.
„Und plötzlich war da Don’t Speak, und plötzlich war da dieser Welterfolg.“
Dennoch warst du ja auch schon auf den frühen Platten von No Doubt am Songwriting beteiligt…
Das stimmt, aber nie als Haupt-Songwriterin. Ich war immer nur in meiner Band. Aber als mein Bruder Eric die Band verließ, änderte sich das langsam. Nach meiner Trennung von Tony [Kanal, Basser und Gründer] fing ich an, Songs über uns und die Trennung zu schreiben. Und plötzlich war da Don’t Speak, und plötzlich war da dieser Welterfolg. Erst danach setzte ich mich ernsthaft mit Songwriting auseinander, las viele Gedichte und verliebte mich in die Werke von Sylvia Plath. Ich merkte aber schnell, dass ich immer dann am besten war, wenn ich mit anderen talentierten Musiker:innen zusammenarbeitete – Pharrell Williams etwa oder Linda Perry.
Wann hast du eigentlich zum ersten Mal erkannt, dass du nicht nur Musikerin bist, sondern auch eine Ikone, ein Vorbild für so viele Menschen?
Oh, das sind aber große Worte! Ich glaube, das Wichtigste für mich ist, dem Hype nicht zu glauben, verstehst du? Ich fühle mich nicht besonders. Ich wache jeden Morgen auf und versuche, ein besserer Mensch zu werden. Ich will eine gute Mutter sein, ich will, dass mein Leben einen Sinn hat. Und vor allem will ich einfach ich selbst sein.
Gwen Stefani im Circle Store:
Heutzutage teilt man eine Karriere ja gern in Äras ein. In welcher Ära befindet sich Gwen Stefani gerade?
Gute Frage. Ich denke, ich bin in meiner Ära der Wahrheitsfindung. Ich versuche, im Moment zu leben. Und der Welt zu zeigen: Das bin ich in diesem Moment. Das ist meine Ära.