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Foto: Universal Music

Von der Straße in die großen Hallen: Das Soul-Phänomen Victor Ray

Geboren in Uganda, aufgewachsen in Newcastle, entdeckt auf den Straßen Londons: Die Soul-Welt von morgen gehört Victor Ray.

„Let me take you by the hand and lead you through the streets of London“, singt Ralph McTell 1969 unvergessen. Wer in den letzten Jahren mal auf den Straßen der englischen Hauptstadt unterwegs war, hat mit ein wenig Glück auch einen Musiker bemerkt, der in Subway-Schächten, auf Plätzen und in Gassen sein Herz ausgeschüttet hat. Nur er, seine eindringliche Stimme und seine Gitarre, mehr hat Victor Ray nicht gebraucht, um zu einem der verheißungsvollsten Artists der großen britischen Neo-Soul-Bewegung zu werden. In Großbritannien hat man sich nach ausverkauften Shows, Milliarden von Streams, Coverstorys oder einer globalen Botschafterschaft für Karl Lagerfeld längst einstimmig darauf geeinigt, dass Victor Ray die Soul-Welt von morgen gehört.

Straßenmusiker mit grandioser Stimme

Der Weg dorthin war dennoch kein leichter. Alles andere als das. Geboren wird der 23-jährige Künstler in Uganda, seine Jugend verbringt er in Newcastle. Kaum volljährig, zieht er nach London – und dort direkt durch die Straßen. Sein großer Traum: Mit Straßenmusik so viel Geld verdienen, damit er aufs College kann. Er singt die Lieder anderer Künstler:innen, interpretiert sie mit so viel Herz, Seele und Schmerz, dass man meinen könnte, es sind seine eigenen.

Diese Stimme... mal hoch und gefühlvoll wie bei the Weeknd, mal alt und voller Schmerz, mal spielerisch, mal voller Furor ist sie, bleibt hängen, wenn man sie einmal gehört hat. Aus den Straßen Londons schwebt sein Name langsam in kleine Clubs und auf Showcase-Festivals. Als er irgendwann seine erste Headline-Show ankündigt, ist sie im Handumdrehen ausverkauft. Man ist sich einig: Victor Ray ist spätestens jetzt ein Name, den man sich merken sollte.

Millionenpublikum auf TikTok

Dass er wirklich ein Künstler, ein Songwriter ist und eben nicht „nur“ ein Straßenmusiker, der Coversongs spielt, merkt er lange nicht. „Ich singe schon, solange ich denken kann“, so Victor Ray. „Es hat aber eine Weile gedauert, bis mir klar wurde, dass Singen meine Ausdrucksform ist, und noch länger, bis mir klar wurde, dass ich im Grunde meines Herzens ein Künstler bin.“ Mittlerweile gibt es keinen Weg zurück – im positiven Sinne: Längst haben die ganz Großen sein Potential erkannt, seine Gabe, auch zerrissene Themen mit einem Hoffnungshauch zu versehen.

3,2 Millionen Menschen folgen ihm etwa bei TikTok, dem aktuell wichtigsten Trendbarometer in Sachen populärer Musik. All das sieht Victor Ray, all das nimmt er natürlich auch wahr. Es scheint aber noch durch dicke Watte zu ihm zu dringen. „Als ich anfing, mein TikTok zu erweitern, tat ich das Einzige, was ich konnte: singen. Als ich anfing, Musik zu veröffentlichen, begannen die Leute, die sich für meine Stimme interessierten, sich auch für meine Lieder zu interessieren, und ich bekam eine kleine Fangemeinde“, so erzählt er hoffnungslos bescheiden. Einen Wikipedia-Eintrag hat er unerklärlicherweise bis heute nicht. Mag das mal bitte jemand ändern?

„Für mich ist es viel einfacher, auf der Straße zu singen, als eine Show zu spielen“

Die schwere Zeit auf der Straße im hektischen, quirligen London, in dem Passanten häufig ohne Zeit und Sinn für Zerstreuung an dir vorübereilen, sieht Ray heute als wichtige Lehrjahre. „Was die Widerstandsfähigkeit angeht, bin ich auf jeden Fall ziemlich gut darin geworden, mit unvorhersehbaren Situationen umzugehen – etwa mit unvorhergesehenen Wetterbedingungen oder wenn jemand mit meinem Geld abhaut“, meint er trocken. Einfach war die Transition von der Straße auf die Bühne trotzdem nicht: „Für mich ist es viel einfacher, auf der Straße zu singen, als eine Show zu spielen, zu der Leute extra kommen, um mich zu sehen. Wenn ich auf der Straße bin, kümmert das niemanden. Ich könnte den ganzen Text durcheinander bringen, ich könnte wirklich schlecht singen, und die Leute werden trotzdem vorbeigehen. Aber bei den Auftritten sind die Leute da, um dich zu sehen.“

Darin wird er sich gewöhnen müssen: Im Dezember kommt er für eine kurze Tournee aufs europäische Festland. Wer ihn noch mal in einem vergleichsweise intimen Rahmen erleben möchte, sollte das besser jetzt tun.

Hier die Daten:


01.12. Hamburg, Docks

02.12. Berlin, Astra Kulturhaus

04.12. München, Theaterfabrik

05.12. Köln, Live Music Hall

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