Vinyl-Sammler:innen wollen immer eine Pressung, die noch krasser und einzigartiger ist als die vorherige. Seit über zehn Jahren hat sich da eine besonders spannende Form von Schallplatten etabliert: Liquid filled Vinyl. Und wie der Name sagt: Die sind mit Flüssigkeit gefüllt. Dadurch kommen richtig coole Muster zustande, besonders wenn sich die Platte auf dem Plattenteller dreht.
Seit wann gibt es Liquid filled Vinyl?
Das erste bekannte Beispiel stammt aus dem Jahr 2012 und wurde – wen wundert’s – durch den Willy Wonka der Vinyl-Industrie, Jack White, veröffentlicht. Unter seinem Label Third Man Records hat White schon viele ausgefallene Platten herausgebracht, aber zum Record Store Day 2012 überlegte er sich etwas Besonderes: Jack Whites Single Sixteen Saltines wurde als Vinyl mit blauer, flüssiger Füllung veröffentlicht. Mittlerweile kann man diese auf Discogs ab 348€ erwerben.
Tatsächlich hat Third Man Records das Konzept aber nicht erfunden. Wie sie selbst in der Videobeschreibung zu ihrem Ankündigungsvideo schrieben: „Während der Soundtrack für den Film The Black Hole aus dem Jahr 1978 zunächst als Prototyp einer mit Flüssigkeit gefüllten Schallplatte erstellt wurde, verhinderten Probleme mit undichten Stellen, dass er jemals veröffentlicht wurde. Die liquid filled Saltines sind die ersten Scheiben ihrer Art, die der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden.“
Wie füllt man Vinyl?
Der Herstellungsprozess ist tatsächlich etwas mystisch. Online findet man kaum Videos, die die Entstehung zeigen; geheim ist es aber nicht. Es ist auf jeden Fall aufwendiger als farbiges Vinyl oder Picture-Discs. Mal als Grundwissen: Schallplatten werden für gewöhnlich aus Polyvinylchlorid (PVC) – daher der Begriff Vinyl – gepresst. In die runden PVC-Platten werden dann mit einer Nadel die Einkerbungen – auch Grooves genannt – hineingeritzt, die später die Musik abspielen. Soweit ist das bei den gefüllten Platten noch gleich. Die Schritte danach sind aber wesentlich mehr Handarbeit.
1. Es werden meist sogenannte „Lathe-Cut“-Rohlinge verwendet, das heißt: Sie werden nicht von industriellen Maschinen bearbeitet, sondern es muss jemand von Hand an einer Drehbank die Grooves einritzen und die Platte in Form schneiden. Es werden transparente Platten verwendet, damit man die Flüssigkeit auch sieht.
2. Die beiden Seiten der Schallplatte sind zunächst separat und werden dann aufeinandergelegt. So ähnlich ist es auch bei Picture-Discs, damit ein Bild zwischen die beiden Hälften gelegt werden kann. Im Fall der Liquid filled Vinyl kommt an diesem Punkt des Prozesses aber noch nichts zwischen die beiden Vinyl-Hälften.
3. Die aufeinanderliegenden Vinyl-Platten werden nun an den Seiten verklebt. Im mittleren Ring ebenfalls, dort wird aber an einer Stelle ein kleines Loch offengelassen.
4. Durch das Loch kommt dann mithilfe einer Spritze oder Pipette die Flüssigkeit in den minimalen Raum zwischen den beiden Plattenseiten. Dann wird das Loch verklebt.
Die Flüssigkeiten können etwa aus einer Mischung aus Wasser und Öl bestehen. Man kann Schallplatten allerdings auch mit anderen Sachen füllen, zum Beispiel Glitzer, Konfetti, Sand oder sogar Blättern.
Was sind mögliche Probleme bei solchen Platten?
Wie das von Third Man Records genannte Beispiel aus 1978 zeigt, gibt es Fälle, in denen Liquid filled Vinyl auslaufen kann – wenn etwa schlampig gearbeitet wurde und der Kleber nicht gut hält. Das sollte in der Regel aber natürlich nicht der Fall sein. Man sollte auf jeden Fall – wie bei allen Schallplatten – darauf achten, dass man sie nicht zu eng lagert und sorgfältig mit ihnen umgeht. Wer ausgetretene Flüssigkeit berührt, sollte Kontakt mit Augen und Mund vermeiden und sich die Hände waschen.
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Ein weiteres Problem, das mit schlechter Verarbeitung zusammenhängt, ist das Phänomen, dass die Flüssigkeit mit der Zeit austrocknet. Wenn die Platten aber wirklich so luftdicht und eng wie möglich zusammengepresst werden, sollte auch das umgangen werden. Tatsächlich beklagten viele Fans sogar bei Jack Whites Sixteen-Saltines-Platte, dass die Flüssigkeit austrocknete. Aber gut, es war ja auch die erste öffentliche ihrer Art, da kann man noch nicht alle möglichen Probleme auf dem Schirm gehabt haben.
Eine essenzielle Frage, bei der sich die Geister scheiden: Klingt Liquid filled Vinyl schlechter? Manche sagen klar: Ja, ein wenig schlechter schon, und das muss man für den coolen Look in Kauf nehmen. Andere Hersteller:innen bestreiten, dass das der Fall sein muss. So sagt etwa das deutsche Unternehmen Vinyl Manufaktur, es gebe bei ihren Platten keinerlei Klangverlust.
Ein kostspieliges, aber kreatives Kunststück
Und das offensichtlichste Problem: Der Geldbeutel leidet darunter. Denn Liquid-filled-Vinyl ist so aufwendig in der Produktion, dass immer nur limitierte Kontingente hergestellt werden. Dadurch ist der Preis dann logischerweise höher. Unter 60€ findet man selten etwas.
Aber wem es das wert ist, kann sehr coole Designs mit scheinbar endlos vielen Ideen genießen. Bei Metal-Bands wie Slayer beliebt: Flüssigkeit, die wie Blut aussieht. Ein anderes gewöhnungsbedürftiges, aber amüsantes Beispiel: der Saltburn-Soundtrack. Auf dem Label in der Mitte der Platte ist der Abfluss einer Badewanne abgebildet und die durchsichtige, weißliche Flüssigkeit soll das Badewasser darstellen. Wer die berühmte Badewannen-Szene im Film gesehen hat, weiß, dass in der Wanne nicht nur Wasser war…