An einem Montagmorgen (entgegen der Music-Friday-Hierarchie), erschien das neue, lang ersehnte Album von Tyler, The Creator. Der kalifornische Künstler überraschte das Internet vor etwas mehr als zehn Tagen mit der Ankündigung seines achten Studioalbums. Genauso überraschend, unkonventionell und gleichzeitig vertraut klingt Chromakopia auch.
Wie klingt Chromakopia?
„Don’t you ever in your life dim your light for nobody“, spricht eine Frau im Intro zum ersten Song. Darauf folgt geflüsterter Sprechgesang von Tyler, der beinahe kanonartig von Gospelgesang begleitet und nach etwa zwei Minuten Spielzeit durch Rap gebrochen wird. Ein abrupter Bruch, der sich dennoch passend anfühlt. Der Song bildet auf spielerische Art und Weise den Einstieg ins Chromakopia-Universum und gibt eine kleine klangliche Vorschau auf das, was die Hörer:innen erwartet.
Direkt darauf folgt härterer Rap in Rah Tah Tah und eine Mischung aus beidem in der einzigen bereits vor dem Album erschienenen dritten Single Noid. Auch wenn das Album klangliche Überraschungen bereithält, wirkt der Sound dennoch vertraut. Er erinnert sowohl an Tyler, The Creators 2015 veröffentlichtes Album Cherry Bomb als auch an die später erschienenen Alben Flower Boy und Igor. Features finden sich auf Chromokopia zumindest offiziell nicht – Fans haben jedoch bald zahlreiche Gastauftritte von unter anderem Childish Gambino, GloRilla, Sexyy Red, Lil Wayne und Doechii ausgemacht.
Der letzte Song auf dem Album, I Hope You Find Your Way Home, fühlt sich melancholisch an. Er vermittelt das Gefühl von Aufbruchsstimmung und zugleich nach Hause kommen, wie der Titel schon suggeriert. Womöglich weil abschließend in den letzten Sekunden nochmal „Chromakopia“ fast wie ein Marschapell gesungen wird. Alle vierzehn Songs sind so arrangiert, dass sie nahtlos ineinander übergehen, das Album wirkt dadurch wie ein großes Ganzes – fast wie ein Mosaik, das sich aus vielen Teilen zusammensetzt. Der Klang ist ebenso mosaikartig bunt: kräftiger Rap und gesprochene Appelle treffen auf sanften Gospel. Bläser harmonieren zusammen mit Klavier und Beats. Zwischendurch mischen sich Hip-Hop- mit Neo-Soul-Einflüssen. Und das alles abwechselnd. Inhaltlich bleibt es ebenso vielfältig: mal wütend, mal melancholisch. Von Paranoia bis hin zu Selbstfindung.
Das Chromakopia-Universum
Wer Tyler, The Creator kennt, weiß, dass der Rapper, Produzent, Schauspieler und Modeschöpfer den Zusammenhang zwischen visueller Kommunikation und seiner Musik nicht dem Zufall überlässt. Der Künstler ist bekannt für seine farbenfrohe Mode und visuelle Inszenierung. Das zeigten auch seine vergangenen Projekte sowohl mit seinem Label Golf Wang als auch seine Albencover und Musikvideos.
Ähnlich ist es bei diesem Projekt, nur etwas paradoxer: Während es für Chromakopia keine direkte Definition gibt, scheint der Begriff zumindest im Zusammenhang mit dem Wort „Chroma“ zu stehen, das für die Sättigung einer Farbintensität steht. Je mehr „Chroma“, desto satter ist die Farbe. Umso überraschender, dass die sechs Videos, die vor dem Chromokopia-Release bereits auf YouTube gepostet wurden, alle in Sepia gehalten sind. So auch das Albumcover. Im Kontrast dazu spielt der Künstler mit einem satten Grün (kein Bratgrün, mehr ein Grasgrün). Die Farbe bildet immer wieder Schriftzüge mit Hörnern in Bezug auf das Album.
Inmitten dieser Sepia-Aufnahmen und der grasgrünen Schrift ist der Künstler selbst. Immer in der gleichen Montur: einem fast übergroßen Anzug, weißen Handschuhen, einer Gesichtsmaske und zwei Hörnern, die ihm in Form von Haaren aus dem Kopf ragen – womöglich eine Anspielung auf die Hörner im Schriftzug. Dieses Alter Ego erscheint auch auf dem Albumcover. Die Art des Storytellings, die mit der Musik harmoniert, macht Lust auf mehr und wirft Fragen auf, die hoffentlich noch beantwortet werden. Vielleicht aber bleibt Chromakopia auch ein kleines Mysterium. So geheimnisvoll, wie es sich auch aus dem Nichts mit einer großen Selbstverständlichkeit in die Musiklandschaft geschlichen hat.
Fest steht: Chromakopia ist nicht nur ein Album, sondern vielmehr eine Welt, in die Tyler, The Creator uns Einblick gewährt.