Sie sind das schönste Geschenk, das die 90er und 00er Jahre der Musikwelt bereitet haben: Hidden Tracks. Denn viele CDs und sogar einige Platten offenbaren erst beim Hören ungelistete Titel, die an andere Tracks angehangen wurden oder sich in parallelen Rillen tarnen. Jack White ist ein großer Freund der Hidden Tracks. Auf seinem Album Lazaretto reiht sich ein Gimmick ans Nächste und setzt den Hidden Tracks die Krone auf.
Jack White ist ein analoger Typ durch und durch. Bis vor ein paar Wochen hatte der Rockstar nicht einmal ein Smartphone und so dürfte es niemanden schockieren zu hören, dass Jack White großer Fan des Vinyls ist. Um ein paar mehr Anreize zu schaffen, das schwarze Gold zu kaufen, hat er für die Platte Lazaretto tief in die Trickkiste gegriffen und im Grunde jedes erdenkliche Gimmick mit umgesetzt, das man sich nur ausdenken konnte. Einige der technischen Extras wurden eigens für Jack White und seine Fans entwickelt. Ein Hidden Track ist da also das Mindeste!
Zu Beginn der Solokarriere
Nicht nur was die kleinen Extras angeht, ist Lazaretto ein ganz besonderes Werk: Auch musikalisch hat sich Jack White hier kreativ ausgetobt. Seinen klassischen Blues-getränkten Rock’n’Roll hat er um schräge Piano-Saloon-Nummern wie Entitlement und Want And Able ergänzt. Dazu mischen sich breite und wilde Violinen (The Black Bat Licorice) und immer wieder tobende Geräuschkollagen. Die stilistische Vielfalt könnte hier kaum größer sein und es erscheint nach dem großen Erfolg des Solo-Debüts Blunderbuss (2012) wie ein großer Befreiungsschlag. Auf Lazaretto spielt White ungebremst und frei von Erwartungen und Druck. Er testet aus, was alles auf der musikalischen Spielwiese möglich ist und geht auf einigen späteren Album dann noch weit darüber hinaus.
Wortwörtlich versteckt
Die Hidden Tracks auf Lazaretto – ja, Plural – die hat Jack White ganz besonders ausgefuchst versteckt. Und zwar befinden sie sich auf der Ultra Vinyl LP von Lazaretto unter den Papierlabels in der Mitte der Scheibe. Doch damit nicht genug: Die einzelnen Songs sind auch noch auf verschiedene Umdrehungen gepresst worden. Heißt, wenn man die Songs entdeckt, muss man zusätzlich noch die Einstellungen wechseln, um die jeweiligen Titel auch wirklich in der geplanten Qualität und Geschwindigkeit hören zu können. Die eine Spur spielt bei 78 RPM auf der A-Seite, während der Hidden Track im Label der B-Seite bei 45 RPM spielt. Der Rest des Albums läuft auf den regulären 33 RPM und damit gehört Lazaretto zu den seltenen Alben, die drei verschiedene Geschwindigkeiten auf einer LP vereinen.
Die Qualität der Titel ist durch das Label nicht sehr gut und ziemlich verrauscht. Es handelt sich hier also wirklich um eine kleine zusätzliche Spielerei. Im Gegensatz zu anderen Hidden Tracks haben die Songs auch über die Jahre keine Titelbezeichnung entwickelt und wurden nicht live performt, denn sie sind ziemlich kurz, teilweise ohne verständliche Lyrics. Die Titel werden durchweg von einem verzerrenden Rauschen begleitet und generell sollte man sie nicht mit der besten Nadel abspielen. Auf der A-Seite kann man zunächst ein kleines Riff hören. Drums und Bass interagieren miteinander, es klingt wie ein improvisierter Jam. Darüber liegt ein hoher Singsang von Jack White, der eine Version von Curtis Mayfields Pusherman singt. Es ist nur schwer verständlich. Auf der B-Seite hören wir Kindergesang, der zwischen verschiedenen Melodien, Wörtern und einfachem „Lalala“ wechselt. Dementsprechend sind diese Hidden Tracks trotz ihrer Besonderheiten nicht wirklich in den allgemeinen Kanon von Jack White mit eingeflossen, wie es beispielsweise bei Lauryn Hill der Fall war, die für ihren Hidden Track sogar einen Grammy gewonnen hat.
Weitere Highlights
Neben den versteckten Titeln im Label verbergen sich auf der Lazaretto Ultra LP noch weitere Überraschungen. Auf der Vinyl gibt es auf beiden Seiten einen Locked Groove an der Außenseite der LP, heißt, die Rille geht nicht über in die Spirale, sondern ist in sich geschlossen und wiederholt sich dementsprechend immer wieder. Es gibt außerdem eine parallele Rille auf der B-Seite. Dadurch kommt der Titel Just One Drink mit zwei verschiedenen Intros daher: einem analogen und einem elektronischen. Besonders ist, dass Jack White es mit seinem Team geschafft hat, die parallelen Rillen beide ineinander münden zu lassen. Beide Intros gehen also wirklich in denselben Song über und laufen einfach weiter. Zu guter Letzt gibt es auf der A-Seite noch ein holografisches Bild eines Engels, das erst im Licht des Plattenspielers und bei der richtigen Rotation sichtbar wird. So viele Spielereien und versteckte Highlights hat wohl keine andere Platte auf Lager und Jack White könnte sich mit gutem Recht als König der Hidden Tracks feiern lassen.