
Sir Elton John hat nicht nur über dreißig eigene Studioalben veröffentlicht, er ist auch außerhalb davon überaus umtriebig – damals schon gewesen und in den letzten Jahren fast noch mehr, scheint es. Wie soll man sich sonst sein neues Collab-Album Who Believes In Angels? mit Brandi Carlile erklären? Es ist schon außergewöhnlich, dass ein Artist, der so lange im Business ist, immer noch so viel Interesse am Kollaborieren mit zeitgenössischen Musiker:innen hat.
Egal, ob er als Feature auftrat, jemand bei ihm zu Gast war oder es zu einer gemeinsamen Live-Performance kam: Da sind schon ziemlich unerwartete Kombinationen dabei, die wahrscheinlich sogar manche Fans nicht auf dem Radar haben (Elton John teilt sich einen Song mit A Tribe Called Quest, Jack White und Busta Rhymes?) – sowie natürlich auch viele alte Klassiker. Daher zählt diese Liste 15 der besten, legendärsten und denkwürdigsten Elton-John-Collabs auf, in chronologischer Reihenfolge.
Elton Johns neuestes Collab-Album gibt’s hier:
John Lennon – Whatever Gets You Thru The Night (1974)
Das Schönste an diesem Song ist die Geschichte von enger Freundschaft dahinter. Rund um 1973 befand sich John Lennon in einer Krise. Seine Beziehung zu Yoko Ono schien zu enden, er verlor sich in Drogen und seine Musikkarriere litt. Zum Glück freundete er sich damals mit Elton John an, welcher als großer Beatles-Fan sehr besorgt um sein Idol war. Also lud er Lennon zu einem gemeinsamen Cover von Lucy In The Sky With Diamonds ein. Dass dies natürlich ein Hit wurde, gab Lennon den Mut, wieder an Musik zu arbeiten. Dabei schaute Elton John bei der Session zu Whatever Gets You Thru The Night vorbei und ihm fiel direkt eine Klavier- und zweite Gesangsstimme ein. Sie schlossen eine Wette ab: Wenn der Song auf die Eins geht, spielen wir ihn zusammen im Madison Square Garden. Das trat natürlich ein und der Auftritt wurde ein großer Erfolg – auch auf einer zweiten Ebene: Elton John hatte Yoko Ono zum Konzert eingeladen; nach diesem Auftritt fanden sie und Lennon wieder zusammen.
Kiki Dee – Don’t Go Breaking My Heart (1976)
Dies ist wahrscheinlich Elton Johns ikonischste Kollaboration. Don’t Go Breaking My Heart ist schließlich eines der bekanntesten Duette aller Zeiten und war für beide Artists der erste Nummer-Eins-Hit in UK. Im Song wechseln sich Kiki Dee und Elton John konstant verspielt ab, sodass eine unbestreitbare Chemie entsteht, und ihre Stimmen sind einfach dafür gemacht, gemeinsam Harmonien zu singen. Dazu traf das fetzige Disco-Instrumental Mitte der 1970er-Jahre einen Nerv – obwohl der Track nie auf einem Studioalbum erschien. Für das Songwriting-Duo Bernie Taupin und Elton John entstand der Song ziemlich ungewohnt, denn John schrieb zuerst die Musik, noch ohne Text im Kopf – bis auf den Titel. Normalerweise war die Reihenfolge umgekehrt. Jahre später nahm John eine neue Version auf, mit der Drag-Queen-Legende RuPaul.
Dionne Warwick & Stevie Wonder – That’s What Friends Are For (1985)
1985 veröffentlichte Dionne Warwick ein Album namens Friends. Wie man von diesem Titel erahnen konnte, würde sie auf dem Album nicht alleine sein: Der Quasi-Titeltrack That’s What Friends Are For vereint ein unschlagbares Quartett aus Warwick, Stevie Wonder, Gladys Knight und Elton John – vier der größten Stimmen ihrer Zeit. Hier ging es aber nicht nur darum, ein bisschen darüber zu singen, wie spaßig Freundschaften sind: Die Single diente auch einem guten Zweck, und zwar wurden alle Erlöse an die American Foundation For AIDS Research gespendet. Für den Song gab es schließlich noch zwei Grammys: „Song des Jahres“ und „Beste Pop-Duo-/Gruppen-Performance“.
Millie Jackson – Act Of War (Part 1) (1985)
Dieser Song wurde zwar von vielen übersehen – auch weil das dazugehörige Album Ice On Fire für viele Fans als eines seiner schlechtesten gilt –, aber Act Of War ist einer der feurigsten Songs in Elton Johns gesamter Diskographie. Das liegt vor allem an Millie Jackson, deren Stimme hier nicht energischer sein könnte. Elton John wird von dieser Energie fantastisch mitgerissen. Dazu noch Waffengeräusche, ein eindeutig überqualifizierter Session-Bassist und shreddige Glam-Rock-Gitarrensoli? Nicht gerade, was man von einem Elton-John-Song erwarten würde, aber es funktioniert überraschend gut. Auf digitalen Versionen von Ice On Fire ist der Song nicht mal enthalten, in der Compilation To be Continued… jedoch schon. Wo die Parts 2 bis 4 hin sind, weiß man nicht, aber die waren ohnehin recht ähnlich und überflüssig.
Aretha Franklin – Through The Storm (1989)
Die späten 80er waren sicherlich nicht mehr der Höhepunkt von Aretha Franklins Karriere. In Through The Storm bewies sie aber nochmal, wie stark ihre Stimme zu diesem Zeitpunkt immer noch war – gerade weil sie Elton Johns ähnlich ikonischer Stimme gegenübergestellt wurde. Die beiden singen über den Struggle, eine zerfallende Liebe am Leben zu halten. Und so ausgelutscht Phrasen wie „Through the storm / Through the tears / You and I / I know we can survive“ und „We just gotta be strong together“ mittlerweile sein mögen – mit einer kraftvollen Performance wie dieser kauft man es ihnen ab.
George Michael – Don’t Let The Sun Go Down On Me (1991)
Die Duett-Version dieses Elton-John-Klassikers existiert zwar nur live, dafür ist es einer der wichtigsten Momente in seiner Karriere. Der eigentliche Song erschien 1974, dann sangen ihn George Michael und Elton John 1985 gemeinsam beim legendären Live Aid. Als George Michael sechs Jahre später wieder im Londoner Wembley Stadium spielte, coverte er den Song. Zur Überraschung des Publikums stieg dann Elton John selbst mit ein und besiegelte den Gänsehautmoment. Im selben Jahr veröffentlichten die beiden diese 1991er Live-Version als Single und es wurde einer ihrer größten Hits.
Little Richard – The Power (1993)
Little Richard war nicht nur ein Begründer des Rock’n’Rolls, sondern auch ein riesiges Idol für Elton John. Dementsprechend war es eine große Ehre, Little Richard für einen Song auf Elton Johns Kollabo-Album Duets anzufragen. Ihr Zusammentreffen The Power ist zwar kein klassischer Rock’n’Roll, aber eine schwingende Gospel-Nummer. Das Fundament bildet ein knallender Groove aus dem New Jack Swing – so klang schließlich der R&B der frühen 90er, siehe etwa das Dangerous-Album von Michael Jackson. Und im Vordergrund stehen Little Richard und Elton John, die beweisen, wie soulig ihre Stimmen klingen können.
Eminem – Stan (Live at 43rd Grammy Awards) (2001)
Die Stan-Hook wurde im Original von Dido gesungen. In einer Live-Performance bei den Grammys im Jahr 2001 stand aber jemand anders als Gast auf der Bühne: Elton John. Das war eine unerwartete Kombination, und nicht nur wegen der unterschiedlichen Genres: „Eminem wurde von so vielen Menschen als homophob gesehen“, erzählte Elton John in der Graham Norton Show. „Wegen seiner Texte, und ich dachte, das war Nonsens. Und ich stand mit ihm auf der Bühne und zeigte, dass er nicht homophob ist.“ Die beiden verbindet seitdem eine enge Freundschaft, Elton war sogar Eminems Sponsor bei den Anonymen Alkoholikern.
2Pac – Ghetto Gospel (2004)
Wo wir gerade bei Eminem sind: Er produzierte diesen Song. Vielleicht ist deswegen ein Elton-John-Sample in Ghetto Gospel gelandet. Die Hook stammt nämlich aus seinem 1971er-Song Indian Sunset. Wer sich ein wenig mit Hip-Hop-Geschichte auskennt, sollte wissen, dass Tupac Shakur im Jahr 2004 natürlich schon tot war. Seine Parts in Ghetto Gospel wurden bereits 1992 aufgenommen, ursprünglich für das Weihnachts-Compilation-Album A Very Special Christmas 2. Da Shakur kurz danach aber in Probleme mit dem Gesetz geriet, wurde er von der Compilation gedroppt. Stattdessen schusterte Eminem daraus Ghetto Gospel für das posthume 2Pac-Album Loyal To The Game zusammen.
Kate Bush – Snowed In At Wheeler Street (2011)
Sowohl Elton John als auch Kate Bush waren für ihre Zeit Pionier:innen, da sie eine eigene Exzentrizität in die Musikwelt brachten, die seitdem auf etliche Künstler:innen abfärbt. Eine Kollaboration war also nur naheliegend und 2011 war es endlich soweit. Aber Snowed In At Wheeler Street ist nicht, wie man erwarten würde, eine gigantische, schillernde, ausgefallene Hymne. Stattdessen baut sich über acht Minuten eine Klavierballade auf, die von einer ungewiss brodelnden Atmosphäre getragen wird – es klingt so wie der Titel suggeriert. Instrumental kommt nicht viel hinzu, aber gegen Ende klettern beide Stimmen immer höher, und transportieren nicht nur Eleganz, sondern auch Schmerz.
Queens of the Stone Age – Fairweather Friends (2013)
In den 2010ern etablierte sich John als Gast-Pianist, der bei den unterschiedlichsten Musiker:innen mal schnell ein paar Takte einklimperte – bei Rock-Bands wie Red Hot Chili Peppers oder Alice In Chains etwa oder eben auch Queens Of The Stone Age. Auf Fairweather Friends, der emotionalen Ode an falsche Freund:innen, vereint Josh Homme ironischerweise ein paar echte Freunde: Die ehemaligen Queens-Mitglieder Dave Grohl und Mark Lanegan helfen nach Jahren wieder jeweils bei Drums und Songwriting aus, Trent Reznor von Nine Inch Nails singt Backing Vocals und wird dabei unterstützt von Elton John. Dieser schmettert außerdem glitzernde Klavierakkorde in den Refrain. Einer der mitreißendsten QOTSA-Songs – auch wenn man die Star-Besetzung ohne das Wissen darum vielleicht gar nicht bemerken würde.
A Tribe Called Quest feat. Busta Rhymes & Jack White – Solid Wall Of Sound (2016)
Als Jazz-Rap-Legenden sind A Tribe Called Quest Meister des Samplens. Solid Wall Of Sound nutzt aber nicht nur ein Sample aus Bennie And The Jets, sondern lässt auch Elton John selbst Klavier spielen und ein wunderbares Outro mit ATCQ-Mitglied Q-Tip singen. Busta Rhymes ist bei der Rap-Gruppe natürlich auch ein gern gesehener Gast. Wer allerdings eher versteckt ist: Jack White spielt hier Akustik-Gitarre und singt Backing Vocals. Welch ein Cast für das starke finale Album von A Tribe Called Quest! Elton Johns Segen auf seinem Abschiedswerk zu haben gibt dem Ganzen schließlich nochmal eine besonders mächtige Note.
Taron Egerton – (I’m Gonna) Love Me Again (2019)
Wer sich als Fan von Elton John sieht, wird wahrscheinlich auch Rocketman gesehen haben. Das Biopic über Johns Karriereaufstieg wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter auch einem Oscar für „Best Original Song“: (I’m Gonna) Love Me Again wurde speziell für den Film komponiert, klingt aber, als könnte es genauso gut auf einem von Johns alten Alben entstanden sein. Der Song stammt aus der Feder des klassischen Duos Elton John und Bernie Taupin. Gesungen wurde es wiederum von John und dem Rocketman-Hauptdarsteller Taron Egerton.
Ozzy Osbourne – Ordinary Man (2020)
Ozzy Osbourne und Elton John sind nicht wirklich das, was man als „ordinary men“ beschreiben würde. In diesem Song fürchten sie aber, dass sie ohne den ganzen Ruhm und die Musik und den Trubel letzten Endes nur das sind: gewöhnlich. „When the lights go down, it’s just an empty stage“. Zwei alte Musiklegenden, die über die Angst vorm Fame und gleichzeitig der Angst vor dem Vergessenwerden singen – kriegt man nicht alle Tage. Aber umso herzerwärmender ist es, vor allem da Osbourne und John nicht gerade die nüchternsten Leben führten und dem Tod einige Male von der Schippe sprangen. Komet von Apache und Udo? Deutsche Ordinary Man!
Dua Lipa – Cold Heart (PNAU Remix) (2021)
Ironisch: Der Song von Elton John mit den meisten Streams auf Spotify ist ein Remix – beziehungsweise ein Mashup aus vier seiner früheren Songs. Cold Heart fusioniert Rocket Man, Sacrifice, Kiss The Bride und Where’s The Shoorah? zu einem Song, der überraschenderweise nicht zerstückelt, sondern aus einem Guss wirkt. PNAU liefert ein smoothes Elektro-Instrumental, das nostalgisch und zugleich modern klingt; darüber singen Elton John und Dua Lipa. Diese Kombination funktioniert so gut, dass Cold Heart in mehreren Ländern auf Platz 1 der Charts landete. Elton John stellte damit sogar einen Rekord auf: Er war der erste Artist, der in sechs verschiedenen Jahrzehnten einen Top-10-Hit in den UK hatte.