
Mit einer zarten EP deutete Bon Iver bereits an, dass er musikalisch wieder zurück zum Anfang gehen würde. Nun schließt sich mit SABLE, fABLE ein strahlend heller Kreis in seinem Schaffen.
Als die Bon-Iver-EP Sable im vergangenen Herbst erschien, mussten Fans tief ein und aus atmen. Denn Sable war tief schürfend und mit dem folkigen Gitarrengeplänkel eine Reminiszenz an längst vergangene Bon-Iver-Töne. Dieses neue Album SABLE, fABLE führt die veröffentlichten Titel neu aus und stellt die traurigen Lieder in ein neues Licht. Der Sound des Musikers wird dabei noch einmal neu aufgestellt. Doch anstatt komplett zu renovieren, scheint Justin Vernon, der konstant im Zentrum des Projekts steht, eher umzustellen und vielleicht sogar alte, verstaubte Erinnerungsstücke wieder aus dem Karton zu holen. So entsteht eine Symbiose aus den Folksounds, die seine ersten musikalischen Schritte mit seinen elektronischen Ausflüchten und Auto-Tune-Experimenten fusionieren lässt.
Burnout und Restart
In mehreren Interviews, wie zum Beispiel seinem Gespräch mit Rapper Lil Yachty, erzählt Justin Vernon von einem Moment des Innehaltens. Covid bedeutete für den gefragten Musiker, der nicht nur seit dem erfolgreichen Debüt mit Blood Band (2009) an seiner eigenen Diskografie arbeitete, sondern auch zahlreiche Kollaborationen (Taylor Swift, Kanye West, Swamp Dogg, The Japanese House) vorzuweisen hat, eine Zwangspause. Und die schien nötiger, als er das selbst geglaubt hätte. Trotz der Einsamkeit und der Unruhe, die diese Zeit für uns alle bedeutete, scheint sich Vernon in den vergangenen fünf Jahren zum ersten Mal so richtig um sich selbst kümmern zu können.
Das Ergebnis davon war der Wunsch nach positiver Musik. Etwas Neues im Bon-Iver-Kosmos, denn mit Titeln wie Skinny Love (2007), Holocene (2011) oder dem opulenten Klagelied Hey, Ma (2019) hat Bon Iver bisher ein Talent für besonders niederschlagende Melodien gezeigt. Und Fans eben dieser Klänge können beruhigt sein, denn obwohl Vernon sich für SABLE, fABLE vorgenommen hat, etwas grundlegend schönes und lebensbejahendes zu schaffen, schwingt Melancholie zur Genüge mit. „Sable [die EP] mit seinen zwölf Minuten ist schwer und ich glaube, ich wollte den Menschen die Möglichkeit geben, sechs Monate lang diese Songs zu verarbeiten und dann mit dem Album den Frühling feiern“, erzählt der Vollblutmusiker im Gespräch mit Yachty.
Und tatsächlich kommt das Album mit einem richtigen Strahlen daher. Anschließend an die drei Titel, die wir von der EP bereits kennen, folgt Short Story: ein mächtiger Song, dessen Intro direkt von 22, a million stammen könnte und der die verschiedenen Stimmen durch einen Vocoder jagt. Dazu tanzen Pianoklänge wie flirrende Sonnenstrahlen und Geigen breiten sich in den Herzen aus. „That January ain’t the whole world“, singt Bon Iver in diesem Song und schüttelt damit die jährliche Winterdepression ab. Auch Everything Is Peaceful Love überzeugt mit einem positiven, zurückgelehnten Upbeat, der ein ungewohntes Tänzeln in die sonst so traurige Stimme von Vernon zaubert. „Ich wusste genau, was für ein Album ich machen wollte, an dem Tag, an dem wir den Song Everything Is Peaceful Love aufgenommen haben. Ich wusste immer, dass dieses Gefühl als Erstes nach außen getragen werden sollte. Ich wollte, dass das Video zur ersten Single einfach nur Menschen zeigt, die unaufhaltsam lächeln“, beschreibt Vernon im Pressetext.
Trotz dieser Prämisse, etwas Positives und Leichtes in die Welt zu setzten, ist SABLE, fABLE nicht weniger gehaltvoll oder gar unwichtig. Denn gerade in diesen unruhigen, turbulenten Tagen ist es wahrhaft wertvoll, etwas zu finden, das wirkliche Freude ausstrahlt. Bon Iver schaffen es, diese Stimmung zu halten. Auch scheint sich das Projekt etwas mehr vom Autotune-Chor gelöst zu haben: Auf From hören wir vollmundige Chöre gemeinsam jubilieren. Halleluja! Hat er in den vergangenen Jahren insbesondere die Hintergrundgesänge immer wieder stark verfremdet, so hat Justin Vernon diese Effekte nun wieder etwas zurückgefahren. Auch aufgrund von Hammondorgeln und souligen Bläserpassagen wohnt dem Album eine leuchtende Gospelstimmung inne und diese wird in I’ll Be There schließlich auf den Punkt gebracht.
Glück und Freude
Für SABLE, fABLE hat sich Vernon einer Idee verschrieben: „Die Idee, dass Glück und Freude die höchste Form des Seins sind, dass sie das wahre Fundament des Überlebens bilden – und dass es die Welt heilen könnte, wenn wir uns selbst einfach ein bisschen weniger ernst nehmen.“ Die Essenz dieses Albums stellt dabei das Duett mit Danielle Haim dar: If Only I Could Wait ist ein echtes Feuerwerk der Gefühle. Und obwohl die beiden davon singen, nicht zueinander zu finden („If only you could wait / I ain’t up at your pace yet“), geht von dem Titel mit den lauten Synthesizern und dem schillernden Arpeggiator vor allem Hoffnung aus. SABLE, fABLE gibt also nicht ein verwaschenes, rosa-gefiltertes Bild dieser chaotischen Welt ab, sondern sucht nach den strahlenden Reflexionen im Scherbenhaufen, und findet sie. Vernon schließt das Album auf einem Instrumental-Stück, dass sich aus zarten, kleinen Klängen zusammenfügt. Sein Vorhaben, etwas leuchtend Optimistisches in die Welt zu setzten, ist Bon Iver geglückt.