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Foto: Universal Music

Interview mit Element Of Crime: „Nostalgie ist Gift“

Element Of Crime sind der Ruhepol der deutschen Musik. Besonnen, unaufgeregt, poetisch und voller kluger Worte tönt ihr neues Album Morgens um vier, gewohnt wortgewandt und druckreif geben sich Sven Regener und Jakob Ilja im Interview.

von Björn Springorum

Hier könnt ihr Morgens um vier hören:

Seit bald 40 Jahren gibt es diese Band nun schon. Sie operiert nach ihren eigenen Regeln, musiziert in ihrer ganz eigenen, eigentümlichen, charakteristischen Chanson/Rock/Pop/Jazz-Gemengelage, wird mit Sven Regener von einem der klügsten Köpfe der deutschen Popkultur angeführt. Mit Morgens um vier ist Element Of Crime ein weiteres Kunststück geglückt, ein ruhiges Album in unruhigen Zeiten, voller zitierwürdiger Zitate und feiner Melancholie.


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Ihr strahlt als Band immer diese Ruhe aus – auf euren Alben wie auch auf der Bühne. Woher kommt die?

Jakob Ilja: Weil wir in einem Alter sind, in dem wir uns auf der Bühne mittlerweile sehr konzentrieren müssen. (lächelt)

Sven Regener: Unsere Band kommt aus einer Zeit, in der kein Raum für die großen Gesten war. Diese ganze New-Wave-Bewegung stand ja für eine gewisse Kühle, ein Sich-nichts-anmerken-lassen, da kommt die Ruhe auf der Bühne von selbst. Wir hatten nie das Gefühl, eine Show machen zu müssen, uns übermäßig bewegen zu müssen. Ich habe auch nie Wert darauf gelegt, auf der Bühne zu tanzen. Das könnte ich auch gar nicht. Höchstens taumeln.

Seid ihr eine besonnene Band?

Sven Regener: Hitzig wurde es früher schon mal, als wir immer noch um unseren Stil ringen mussten, vor vielleicht dreißig und mehr Jahren. Heute wissen wir, was wir aneinander haben und wo unsere Stärken liegen. Man muss nicht jeden Streit wieder von vorn beginnen. Wenn eine Band es schafft, trotz derart unterschiedlicher Charaktere so lange zusammenzubleiben, dann kann man sich auch mal auf die Musik konzentrieren und den anderen Kram beiseite lassen.

„Die Kunst ist dafür da, uns mit uns selbst und mit der Welt zu versöhnen.“

Merkt ihr subtile Unterschiede im Wesen von Element Of Crime, gemessen an den Zuständen draußen in der Welt?

Jakob: Ich glaube, es gibt da keinen Zusammenhang. Es gibt die eigenen Erfahrungen und Entwicklungen, die wir als Menschen durchlaufen, und das kann in der Musik zum Ausdruck kommen. Aber nicht so, als dass man mit dem Finder drauf zeigen könnte.

Sven: Ich glaube, die Kunst ist dafür da, uns mit uns selbst und mit der Welt zu versöhnen. Nicht weil sie Antworten hat. Sondern weil sie uns eine andere, schönere Seite der Welt zeigt. Das ist unsere Aufgabe als Band. Was sonst so in der Welt passiert, ist ja eh da, da müssen wir nicht ein Lied drüber schreiben.

Daher die tolle Zeile „Wir haben keine Lösung, wir haben Lieder“?

Sven: Die bringt es auf den Punkt, ganz genau.

Jakob: Das ist meine Lieblingszeile. Wir sind als Band eine Zeitlang zu jedem politischen Thema gelöchert worden. Das nahm bisweilen absurde Züge an, zeigt aber auch das Bedürfnis, von Künstlern die politische Welt erklärt zu bekommen. Aber dem sind Grenzen gesetzt. Auch Künstler kennen sich nur begrenzt aus.

Sven: Und es ist auch nicht unsere Aufgabe.

Das Wesen Element Of Crime gibt es seit bald 40 Jahren. Wie viel in dieser Band ist mittlerweile Instinkt, wie viel ist genaue Planung?

Sven: Mittlerweile sind lange Vorläufe unerlässlich. Früher, und da rede ich jetzt von den Achtzigern, wollte man im Frühjahr auf Tournee gehen und dann wurde das im Herbst davor gebucht. Heute werden die Hallen teilweise zwei Jahre im Voraus reserviert. Das ist natürlich irgendwie doof, wenn man eine Tournee zu einer Platte plant, für die man noch keinen einzigen Song geschrieben hat. Instinkt spielt immer noch eine Rolle, aber eher bei Entscheidungen, ob wir dieses oder jenes als Element Of Crime machen wollen oder eben nicht. Die Kulturindustrie hält eine Menge Zumutungen bereit, da muss man sich oft entscheiden. Da blicken wir mittlerweile natürlich auf viele gute und schlechte Erfahrungen zurück und wissen, was gut für uns ist und was nicht. Wäre ja auch bescheuert, wenn wir dieselben Fehler von früher immer noch machen würden.

Jakob: Instinkt spielt auch eine Rolle, wenn wir ein neues Album machen. Es kommt so ein Moment, an dem wir spüren, dass es jetzt passen würde. Dass jetzt wieder Zeit wäre. Wir zählen nicht die Jahre, wir horchen in uns hinein. Meiner Meinung nach sollte Musik immer so funktionieren.

„Die Welt ist uns nichts schuldig. Aber wir ihr auch nicht.“

Wie habt ihr eigentlich so lange durchgehalten in diesem Business?

Jakob: Das hat mit dem Selbstverständnis der Band zu tun. Wir sagen immer: Diese eine Platte, diese eine Tour machen wir noch. Und dann schauen wir mal. Das hat uns oft gerettet. Wir machen ein Tag-zu-Tag-Geschäft, das morgen vorbei sein kann. Im Rock’n’Roll und in der Kunst allgemein ist das eine sehr hilfreiche Form für das eigene Tun. Wir haben uns mit Absicht einer Sache verschrieben, die mit diesem Risiko behaftet ist. Es gibt kein Arbeitslosengeld für uns.

Sven: Die Welt ist uns nichts schuldig. Aber wir ihr auch nicht. Wenn die Leute uns nicht mehr hören wollen, dann wollen sie uns nicht mehr hören. Und dann wäre das durchaus ein Grund, aufzuhören. Wichtig ist nur: Egal, was kommt, man darf als Künstler nicht verbittern. Das ist das Wichtigste.

Jakob: Sven sagt immer, 90 Prozent unserer Karriere sind glückliche Zufälle. Wir hatten trotz verschiedener musikalischer Vorlieben immer einen gemeinsamen Nenner, und der hieß Element Of Crime. Geplant war das nicht, ein Rezept gibt es auch nicht.

Sven: Mich hätte es jedenfalls nicht gewundert, wenn alles ganz anders gekommen wäre. Also muss ich jetzt auch keine gute Erklärung dafür haben, dass es so gekommen ist wie es nun mal ist.

Morgens um vier erinnert im Titel an An einem Sonntag im April. Wie entsteht ein Albumtitel bei Element Of Crime?

Sven: Das kann durchaus banal sein. Wenn man etwa einen guten Songtitel hat und den dann auch als Albumtitel hernimmt. Manchmal ist es schwieriger, denn ein solcher Titel muss nicht nur gut sein, er muss auch die ganze Sache irgendwie überwölben. Das ist hier der Fall.

Was ist denn morgens um vier?

Jakob: Für mich hat das mit Erinnerung zu tun. An lange Nächte, die wir erlebt haben. Wir sprachen letztens über die Achtziger und haben festgestellt, dass wir uns vorrangig an die Nächte erinnern.

Sven: Der Anfang von „Herr Lehmann“ spielt auch morgens um vier. Der Tag zieht langsam herauf und dann kommt da dieser Hund und sonst ist niemand auf der Straße. Frank ist ganz allein. Genau um diese Stimmung geht es.

„Verklärung ist problematisch, weil man sich selbst betrügt.“

Sehr schön finde ich, dass Element Of Crime nie nostalgisch sind. Ist das einfach oder muss man sich wirklich bemühen, nicht in diese Falle zu tappen?

Jakob: Nostalgie ist Gift für mich. Da fühle ich mich sofort unwohl, weil ich mich dann frage: welchen Wert denn mein Leben, das ich jetzt lebe? Wenn man älter wird, ist es wichtig, im Hier und Jetzt zu leben.

Sven: Ich habe ein sehr gutes Gedächtnis und denke gern zurück. Doch ich verkläre nicht. Nostalgie ist eine solche Verklärung und läuft immer darauf hinaus, dass man sich selbst betrügt. Dennoch macht es mir Spaß, mich an Dinge erinnern. Ich kann heute stundenlang dasitzen und über Dinge nachdenken, die ich irgendwann mal erlebt habe.

Die Nummer Ohne Liebe geht es auch kommt dann aber doch nur wieder zu dem Schluss, dass das Quatsch ist, oder? Ein Leben ohne Liebe ist frei nach Loriot möglich, aber sinnlos?

Sven: Es gibt Dinge, die sind vielleicht nicht notwendig, aber ohne sie ist es auch doof. Und ohne Liebe ist auch in der Kunst nicht viel zu machen.

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