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Foto: David Redfern/Getty Images

50 Jahre „Tiny Dancer“: Der vielleicht schönste Spätzünder der Musikgeschichte

Vor 50 Jahren veröffentlicht Elton John seinen vielleicht schönsten Song Tiny Dancer. Ein richtiger Klassiker wird der erst durch den Film Almost Famous – und dient aktuell sogar Brintey Spears als Comeback. Die Geschichte eines Spätzünders.

von Björn Springorum

Am Anfang ihrer Karriere brauchen Elton John und Bernie Taupin einen langen Atem. Doch mit dem Anbeginn der Siebziger scheint sich ihr Durchhaltevermögen so langsam auszuzahlen. Am 25. August 1970 spielt er vor 300 Menschen im Troubadour Los Angeles. Er kommt als seltsam gekleideter Engländer auf die Bühne – und verlässt sie als Superstar. Danach geben die beiden Gas: Tumbleweed Connection, das dritte Studioalbum, wird zum akzeptablen Erfolg, 1971 veröffentlichen die beiden einen Soundtrack, ein Live-Album und ihr viertes Werk, das große Madman Across The Water.

Kein Single-Erfolg

In die Stratosphäre wird Elton John zwar erst danach mit seiner ersten Nummer eins in den USA, Honky Château von 1972. Doch es ist Madman Across The Water, das von seinem vielleicht schönsten Song eröffnet wird: Tiny Dancer. Mit sechs Minuten und 17 Sekunden Laufzeit ist das nicht gerade Single-Material, doch nach Levon wird der Opener dennoch als zweite Single ausgekoppelt. Und hat es schwer: Für viele Radiosender ist der Song zu lang, zu sperrig, braucht zu lang, um auf den Punkt zu kommen.

Ein Sakrileg aus heutiger Sicht, natürlich: Die Ballade gehört zu den schönsten Momenten der letzten 60 Jahre Popgeschichte – ein zeitloser, zarter Song zwischen Melancholie, Euphorie und Elegie, eröffnet von John am Piano und später begleitet von Pedal-Steel-Gitarre, Streichern und einem zurückhaltenden Chor. Ein purer Song, zerbrechlich, ergreifend, wunderschön. 1972 sieht die Welt das aber noch anders: In den USA knackt der Song nicht mal die Top 40, in Großbritannien wird die Nummer nicht mal als Single ausgekoppelt. Aus heutiger Sicht ist das bei allem Unverständnis fast ein Segen: Der Song wurde lange nicht so totgespielt wir viele andere Hits und hatte genügend Zeit, um über Jahrzehnte zum Klassiker zu reifen wie ein großer Wein.

Doch nicht für Bernie Taupins Frau geschrieben?

Inspiration für den Text findet Bernie Taupin auf ihrer ersten Reise in die USA. Damals fährt Taupin mit John zu vielen Konzerten, er erlebt auch den legendären Troubadour-Auftritt und verbringt einige Zeit im einfachen, schönen Leben Kaliforniens. Dort lernt er auch seine spätere Frau Maxine Feibelman kennen, die damals als Näherin mit der Band durch die USA reist. Die Zeile Blue jean baby, LA Lady, seamstress for the band bezieht sich mehr oder weniger auf Feibelman, auch gewidmet hat er ihr den Song; allgemein geht es ihm in Tiny Dancer aber nicht nur um diese Frau, sondern um das Lebensgefühl in Kalifornien.

„Wir erreichten Kalifornien im Spätsommer 1970 – und die Bevölkerung dort strahlte einfach Sonnenschein aus“, sagte Taupin mal. „Ich wollte den Geist dieser Tage einfangen, erzählt anhand der Frauen, die wir getroffen haben. Insbesondere die in den Klamottenläden am Sunset Strip. Das waren alles Freigeister, sexy und sehr ätherisch. So anders als alles, was ich in England gesehen hatte. Und sie alle wollten dir Aufnäher auf die Jeans nähen. Sie bemutterten dich und schliefen mit dir – der perfekte Ödipuskomplex.“

Erst „Almost Famous“ macht den Song zum Klassiker

Jahrelang fristet der Song ein Schattendasein, ist fast schon ein Insidertipp unter Connaisseuren und Connaisseusen. Wenn Elton John den Song in England spielt, so erinnert er sich mal, kippt die Stimmung sofort ins Negative. Dann kommt der Filmemacher Cameron Crowe mit seinem wundervollen, unvergesslichen Film Almost Famous um die Ecke. Und küsst den Song mit der legendären Bus-Szene endlich und für immer aus dem Dornröschenschlaf. Das ist im Jahr 2000, wohlgemerkt, als der Song beinahe 30 Jahre alt ist. Als Elton John hört, dass Crowe ihn in seinem Film verwendet, reibt er sich ungläubig die Augen. Und als aus dieser oft übersehenen Nummer dann auf einmal ein innig geliebter Klassiker und Fanliebling wird, kann er es erst recht nicht glauben. Erst 2005 wird die Single in den USA mit Gold ausgezeichnet, 2018 in Großbritannien. Die Sache mit dem langen Atem, sie liegt John und Taupin eben.

Auch 2022, zum 50. Jahrestag der Singleauskopplung, schreibt Tiny Dancer weiter Musikgeschichte: Für das Comeback von Britney Spears rührt Elton John Elemente seiner Songs Tiny Dancer, The One und Don’t Go Breaking My Heart zusammen und verhilft Spears mit Hold Me Closer in Duettform zu einer Rückkehr in die Top-Ten-Listen vieler Länder. Mögen muss man die Nummer nicht; seine Langlebigkeit stellt Tiny Dancer aber auch 50 Jahre später eindrucksvoll unter Beweis.

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