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Der historische Verriss: „Black Sabbath“ von Black Sabbath

Auch Experten*innen liegen manchmal mächtig daneben. In dieser Reihe stellen wir vernichtende Plattenkritiken von großen Alben der Musikgeschichte vor – fatale Fehlurteile, die aus heutiger Sicht mindestens merkwürdig wirken. Oder handelt es sich doch um berechtigte Kritik, die der allgemeinen Meinung widerspricht? Zeit für eine erneute Analyse.

von Michael Döringer

Dieses Mal führen  wir uns zu Gemüte, wie Lester Bangs – wahrscheinlich der legendärste Rockkritiker aller Zeiten – das Debütalbum von Black Sabbath anno 1970 im Rolling Stone kurz und schmerzlos zerlegte. Scheinbar war der gute Lester noch nicht ganz bereit für die neu anbrechende Metal-Zeitrechnung. Oder ist die erste Sabbath-Platte vielleicht doch nicht das in Stein gemeisselte Meisterwerk, für das sie uns 50 Jahre später immer noch verkauft wird? Überlassen wir dem Großkritker das Wort:

Lester Bangs macht gleich von Anfang an klar, was er von dieser neuen Band aus Birmingham hält: Sie sind für ihn, wie so viele Bands im Jahr 1970, ein Abklatsch von Cream mit schlechtem Geschmack. Wer würde heute noch diesen Vergleich bemühen? Klar, auf ihrem Debüt stehen Sabbath noch knietief im Bluesrock, hier und da taucht eine Mundharmonika auf. Dass Bangs nicht hören wollte oder konnte, dass sich hier eine neue, ernstzunehmende Ästhetik formte, finden wir ein wenig schwach. Der Junge war damals allerdings auch erst 22 Jahre alt. Man könnte es noch unter jugendlicher Ignoranz verbuchen, würde es nicht noch dicker kommen:

Hier merkt man, wieso Bangs einer der besten Kritiker war: Knallhart und überzeugend trägt er seine Argumente vor, auch wenn sie einem heute grotesk lachhaft vorkommen. Immer wieder Cream! Ist da was dran, oder war der junge Bangs komplett schief gewickelt? Ein wenig Fantasie hätte ihm gutgetan, um die völlig überzeichneten Texte von Ozzy annehmen zu können. „Satan’s sitting there / he’s smiling / Watches those flames get higher and higher / Oh no, please God help me“. Wer erwartet da ernsthaft tiefgründigen Spiritualismus? Bangs muss an späteren Heavy-Metal-Texten erst so richtig verzweifelt sein, in denen sich Hexen und Drachen Gute Nacht sagen.

Das ist der schon komische Schlusspunkt einer ziemlichen Unverschämtheit, zumindest aus Sicht heutiger Sabbath-Fans. Bangs ist damit durchgekommen, drei Jahre später wurde er vom Rolling Stone allerdings gefeuert, wegen grober Unhöflichkeiten den Künstler*innen gegenüber. Das überrascht uns nach dieser Review nicht wirklich. Selbst ein genialer Rockschreiber wie Lester Bangs beging hier einen typischen Fehler: Er arbeitete sich zu sehr an seinem eigenen Programm ab (Cream), ohne die Besonderheiten der Band anerkennen zu wollen, um die es hier geht. Bangs war sonst ein absoluter Visionär und beispielsweise von Anfang an ein Verfechter von Punkrock. Hier fehlte ihm in jeder Hinsicht der Durchblick.

https://www.udiscover-music.de/popkultur/der-historische-verriss-jazz-von-queen